Im Ashar Valley in der Region AlUla auf der arabischen Halbinsel entwickelt sich eine touristische Destination der Superlative, ganz im Sinne von nachhaltigen Maßstäben. CC-VIP-Autorin Kiki Baron erzählt von ihrem Aufenthalt im Luxusresort Banyan Tree und von ihren Erlebnissen in der spektakulären Wüstenszenerie.
Meine Augen kleben an einer Landschaft, die bislang nur sehr wenige Menschen gesehen haben. Reisende aus dem Westen womöglich noch weniger. Der Flug vom DWC Airport Dubai nach AlUla im Nordwesten des Königreichs Saudi-Arabien dauert etwa zweieinhalb Stunden. In der gecharterten Boeing 576-200 gestaltet sich die Strecke nicht nur zum puren Vergnügen. Der nobel bestuhlte VIP-Flieger der Royal-Jet-Flotte bietet zudem bislang die schnellste Verbindung ins touristische Entwicklungsgebiet im Ashar Valley. Dank niedrigem Sonnenstand und kristallklarer Luft scheint die atemberaubende Szenerie wie modelliert auf einer gewaltigen Platte: Mächtige Tafelberge schichten sich um enge Schluchten und flache Wüstentäler, bizarre Felsnasen recken sich dem blauen Himmel entgegen, hier und da setzen kleine Vulkane dunkle Haufen ins Gelb.
Von menschlichem Leben keine Spur. Doch angesichts großer ausgetrockneter Seen ahnt man, dass es hier einmal Feuchtphasen gab, die dem Homo Sapiens erquickliches Dasein ermöglichten. Kurz vor der Landung schälen sich tatsächlich grüne Flecken, Rechtecke und Kreise aus sandiger Ebene: Oasen mit traditionellen Pflanzungen von Dattelpalmen und Zitrusfrüchten sowie moderner Ackerbau von Getreide und Gemüse. Die Flora zieht, wie ich später erfahre, ihr Lebenselixier aus tief gelegenem Grundwasser. Schon mal vorab: Auf dem Klimagipfel in Sharm-El-Sheik verkündete Amr AlMadani, CEO at Royal Commission for AlUla, dass der Masterplan für die Entwicklung der 22.561 km² großen Region (zehnmal größer als Luxemburg) allen Maßstäben nachhaltigen Developments gerecht ist.
„Auf gut 3.000 Hektar ducken sich mit weitem Abstand 47 Villen in Mulden und hinter Dünen.”
Ich folge einer Einladung von Banyan Tree. Für die thailändische Luxus-Hotelgruppe heißt das, Debüt in Saudi-Arabien. 1994 gegründet, stehen ihre Resorts im Zeichen natürlich-luxuriöser und ökologischer sensibler Hospitality. Was bei Ankunft im Ashar Valley gleich ins Auge fällt. Außer spektakulären Felsformationen und flachen Sandhügeln sehe ich nämlich anfangs nichts. Erst bei der Auffahrt entpuppt sich nach und nach das Hotelgelände. Auf gut 3.000 Hektar ducken sich mit weitem Abstand 47 Villen in Mulden und hinter Dünen entlang mäandernder Pfade. Sandfarbene Zeltdächer im Beduinenstil machen sie von der Straße aus gesehen fast unsichtbar. Das gilt nicht weniger für das größte Spiegelgebäude der Welt. Jenseits des Resorts gelegen und auf drei Seiten von steilem Kliff umrahmt, scheint sich die Maraya Concert Hall, in der Mariah Carrey zur Hoteleröffnung sang, transparent in die Szenerie einzupassen. Ein Meisterwerk vom deutsch-italienischen Studio Gió Forma.
Natürlich lässt sich darüber streiten, ob dieser Spiegelkubus ein harter Eingriff in die Natur ist. Doch als ich überwältigt davorstehe, kommt es mir vor, als ob er die Natur eher hervorhebt als damit zu konkurrieren. Ein ähnliches Feeling durchdringt mich in meiner bildschönen Villa. Sie reflektiert –wie das ganze Resort – auf dezente Weise das kulturelle Erbe dieser Wüstenregion. Maßgefertigte Interieurs erinnern in Farben und Mustern ans Nomadenleben, Dekor dokumentiert die Handwerkskunst oder zitiert die antike Epoche der Nabatäer. Die großzügig gelayouteten Häuser stehen auf einer Plattform und werden samt Terrasse mittels Canvas-Plane obendrüber vor der Sonne geschützt. So sorgt die dreistufige Architektur für natürliche Belüftung. Ich brauche jedenfalls die vorhandene Air Condition ab spätem Nachmittag nicht mehr. Stattdessen ziehe ich die deckenhohen Glastüren auf, genieße draußen in weichen Polstern das Lichtspiel der untergehenden Sonne auf sinnlich geformten Sandsteinfelsen und träume nach Eintritt der Dunkelheit unter glitzerndem Sternenhimmel. Nein, nicht bei prickelndem Champagner. Alkohol ist, wie überall in Saudi-Arabien, tabu. Eine Frage, die mir oft gestellt wurde, kann ich auch gleich beantworten: Frauen müssen sich nicht verhüllen, und für Männer sind Bermudashorts okay.
„Maßgefertigte Interieurs erinnern in Farben und Mustern ans Nomadenleben.”
Das Banyan Tree ist freilich nicht nur einzigartige Luxusunterkunft. Es offeriert faszinierende Erlebnisse, die man sogar bei kurzem Aufenthalt intensiv inhalieren kann. Wenn man richtig timt. Fürs Chillen im im Bergmassiv versteckten Pool ist die heiße Mittagszeit ideal. Weil das Wasser erfrischt und fünfzehn Meter hohe Klippen zu beiden Seiten die Sonne abhalten. Für eine Heli Tour eignet sich am besten der spätere Nachmittag. Dann knallen die vielfältigen Landschaftsfarben. Schatten versetzen zudem Berge und Täler noch mal in dramatischere Motive. Beim Blick auf die letzte Station der Hedschasbahn, vor hundert Jahren für Pilger nach Mekka konstruiert, keimen zudem die Erzählungen von Laurence of Arabia auf. Oder war es Peter O’Toole im Hollywood-Streifen?
Für den Besuch der Old Town wähle ich den späten Abend, nach einem köstlichen Mahl im Thai-Restaurant Saffron. Die kühleren Stunden sind nämlich erfahrungsgemäß die Zeit, in der die Araber*innen bummeln gehen und sich in Cafés treffen. Das Flair in der restaurierten Altstadt bezaubert, nicht zuletzt, weil kein motorisierter Verkehr die Luft verpestet. Autos werden vor dem Städtchen geparkt, Buggys befördern weiter. Umweltfreundlich eben. Mich kutschiert eine liebenswerte junge Frau ohne Schleier. Sie zeigt mir auch gleich den angesagtesten Treff: Starbucks. Den hätte ich hier nicht erwartet. Ein Starbucks im traditionellen Wüstenstil: Auf einem ausladenden Open-Air-Terrain steht niedriges Gestühl auf Schotterboden, am hinteren Ende eine schlichte Holzbude mit Zeltdach, ausstaffiert mit allem, was wir von dieser US-Kette kennen. Die Tische sind von Jungvolk umlagert. Wir sind sehr stolz, sagt mein Saudi-Chauffeur auf dem mitternächtlichen Heimweg, dass westliche Einflüsse unsere abgelegene Oase erreicht haben.
„Jenseits des Resorts gelegen und auf drei Seiten von steilem Kliff umrahmt, wartet das größte Spiegelgebäude der Welt, die Maraya Concert Hall.”
Der Ausflug am nächsten Vormittag führt tief in die jahrtausendealte Geschichte von AlUla, in die Totenstadt Hegra. Völkerwanderungen entlang der wichtigsten Handelsroute auf der arabischen Halbinsel brachten einst Waren von südlichen Landesteilen ans Mittelmeer, darunter wertvollen Weihrauch. Hohe Gewinne beim Umschlag in Karawansereien sorgten dafür, dass Menschen sich niederließen. Wie das Nomadenvolk der Nabatäer, deren Zivilisation uns bislang von den Fassadengräbern in Petra bekannt ist. Das UNESCO-Weltkulturerbe Hegra mit 109 zum Teil begehbaren Gruften in rostroten Felsen legt dank seiner Verzierungen Zeugnis ab vom Austausch mit anderen antiken Kulturen wie Ptolemäern, Griechen und Römern. Es sind indes nicht nur Gräber, die Storys erzählen. Archäologen haben Tausende von Inschriften gefunden, sogar ein Schriftsystem, welches vor den Nabatäern entwickelt wurde.
„Faszinierend: das UNESCO-Weltkulturerbe Hegra mit 109 zum Teil begehbaren Gruften in rostroten Felsen.”
Zurück im Banyan Tree. Seit meiner Jugend habe ich den Traum, auf einem reinblutigen Araber durch die Wüste zu preschen. Wohlmöglich beeinflusst von besagtem Historienfilm. Im Resort entdecke ich solche Pferde. Und treffe General Manager Antony Treston. Er macht mir ein Angebot, das ich nicht abschlagen kann: ein gemeinsamer Ausritt zum Sonnenaufgang am Tag meiner Abreise. Lederne Stulpen wie sie Polospieler tragen, leiht er mir. Aufsitzen, und los geht‘s. Mein Araberhengst tänzelt, will sich vor Antonys „Princess“ produzieren. Dann umfängt uns die einsame Stille des Ashar-Tals. Die ersten Sonnenstrahlen lecken an den ockergelben Felsen und lassen sie erstrahlen. Mein Herz geht auf. Wir entdecken in den Stein geritzte Bilder – Kamele, einen Krieger mit langer Lanze, mystische Schriftzeichen. Welche Nomaden mögen sich vor wie langer Zeit hier verewigt haben? Ein paar Stunden lang fühle ich mich zurückversetzt in die Epoche des Weihrauchhandels. Antony hievt mich aus der Gedankenmalerei zurück in die Gegenwart. „Cantering zum Abschied?“ Wir sind nicht mehr allzu weit vom Resort entfernt. Was Cantering bedeutet, macht mir mein Instagram-attraktiver Hengst Sekunden später klar. Weil er wie jeder Macho die Nase vorn haben will. Und so jagen wir im gestreckten Galopp aufs Banyan Tree zu und direkt an der Frühstücksterrasse vorbei. John Northon, Mitglied der Royal Commission für AlUla, erzählt mir beim Abflug nach Dubai, dass ihm beim Anblick dieser rasanten Inszenierung die Eggs Benedict von der Gabel gefallen seien. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen, mit ein bisschen Angeberei obendrein. Tut gut.