GOOD TO HEAR: ITB-Direktorin Deborah Rothe
„Die ITB ist und bleibt das Familientreffen der Branche“
Seit 2023 steht Deborah Rothe an der Spitze der ITB Berlin – der weltweit größten Fachmesse für Tourismus und Reisen. CC VIP hat die Messeleiterin auf der diesjährigen ITB Berlin im „Home of Luxury“ zum Interview getroffen. Im Gespräch verrät sie, welche Themen die Branche aktuell bewegen, welche Trends sich abzeichnen – und wie sich die ITB als B2B-Plattform für persönlichen Austausch, nachhaltige Konzepte und digitale Innovationen weiterentwickelt.

Was sind Ihre persönlichen Highlights der ITB Berlin 2025? Welche Schwerpunkte sehen Sie in diesem Jahr? Im Mittelpunkt der diesjährigen ITB Berlin stand natürlich das Gastland Albanien mit dem Motto „All Senses“ – und das wurde eindrucksvoll in Szene gesetzt, etwa bei der Eröffnungspressekonferenz und der Gala am ersten Abend. Albanien war auch inhaltlich stark vertreten, besonders mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) wird beispielsweise ein spannendes Projekt zur Förderung ländlicher Regionen im Sinne eines nachhaltigen Tourismus umgesetzt. Darüber hinaus bietet die ITB ein breitgefächertes Programm. Im Zentrum steht das Thema „The Power of Transition“ – es geht darum, aus der Vergangenheit zu lernen, neue Trends aufzugreifen und konkret umzusetzen. Mit dabei sind hochkarätige Speaker, unter anderem von Airbnb, Booking.com und Expedia.
Welche Neuerungen bringt die ITB 2025? Wir haben spannende neue Formate eingeführt, etwa die ITB Guided Tours – unter anderem für die Bereiche Luxus und Hospitality. Dabei konnten Fachbesucher gezielt ausgewählte Aussteller kennenlernen. Wir hatten einen vielversprechenden ersten Anlauf. Neu waren in diesem Jahr auch die Transition Labs. In den letzten Monaten haben wir vierteljährlich Umfragen innerhalb der Community zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in 90-minütigen Workshops aufgearbeitet und in 20 praxisnahen Hands-on-Handlungsempfehlungen zusammengefasst – speziell für die Hotellerie, DMOs und Destinationen.
Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie aktuell in der Branche? Gibt es bestimmte Destinationen, die in diesem Jahr besonders stark vertreten sind? Generell gesprochen, hat sich die Tourismusbranche weltweit stark erholt und bewegt sich wieder auf Wachstumskurs. Wir liegen inzwischen wieder bei Vor-Corona-Zahlen, auch die MICE-Industrie hat sich deutlich optimiert. Wenn es um Reiseziele geht, ist Spanien das Trendziel des Jahres, gefolgt von den USA, Deutschland und Frankreich – also die klassischen Favoriten. Gleichzeitig gewinnen aber auch unberührte Destinationen an Bedeutung, wie etwa Albanien. Das Land zeigt ein rund 30 Prozent günstigeres Preis-Leistungs-Niveau im Vergleich zum europäischen Durchschnitt. Hier werden viele neue Projekte auch im Bereich Luxushotellerie geplant, es ist ein Markt mit viel Potenzial. Ein weiterer Trend ist das Thema „Coolcation“ – also Urlaub in kühleren Reisezielen wie Finnland, Dänemark oder den baltischen Staaten. Auch Kanada oder Alaska sind sehr gefragt. Gerade im Hinblick auf die immer heißeren Sommermonate im Süden Europas wird dieser Trend stärker. Und natürlich sehen wir auch weiterhin den starken Schub in Richtung Technologie und Automatisierung in der Branche. Aktuell werden 66 Prozent aller Buchungen digital abgewickelt – Tendenz steigend. In den nächsten zwei Jahren erwarten wir weltweit über 70 Prozent.

Deborah Rothe im Talk mit CC-VIP-Redakteurin Nina Winkler
Sie sind seit 2023 Messechefin der ITB. Wie sehen Sie die Entwicklung der ITB? Wo liegen die zukünftigen Ziele? Was mir immer wichtig ist, ist die persönliche Begegnung. Ich bin wirklich Botschafterin dafür, denn es ist mit die Essenz von erfolgreichen Geschäften. Genau das ist auch mein Fokus wenn es darum geht, die ITB als Plattform für die Tourismusindustrie weiterhin zu führen und auszubauen. Außerdem haben wir erst kürzlich die ITB Americas angekündigt – ein ganz neuer Schritt für uns. Neben der ITB Asia in Singapur, der ITB China in Shanghai und der ITB India in Mumbai, wo wir seit vielen Jahren stark vertreten sind, gehen wir nächstes Jahr erstmals nach Amerika. Vom 10. bis 12. November 2026 sind wir in Mexiko, wir haben uns ganz bewusst für diesen Standort entschieden, weil er geografisch das Zentrum Amerikas ist. Wir möchten dort als erste Veranstaltung den gesamten Kontinent ganzheitlich abbilden – von Kanada bis Patagonien. Darüber hinaus war meine erste Amtshandlung bei der ITB 2023 die klare Ausrichtung auf einen reinen B2B-Fokus. Ich stehe absolut hinter dieser Entscheidung, und wir werden diesen Kurs auch konsequent weiterverfolgen. Es hat sich gezeigt, dass dieser klare Fokus auf die Zielgruppe der Fachbesucher für alle Beteiligten – Partner, Aussteller und Sponsoren – äußerst erfolgreich ist.
Gibt es noch weitere Alleinstellungsmerkmale, die die ITB von vergleichbaren Branchen-Events unterscheiden? Es ist diese klare vertikale Ausrichtung, die die ITB Berlin auszeichnet. Wir bilden hier die gesamte Wertschöpfungskette der Tourismusindustrie ab, und das möchte ich auch in Zukunft so weiterführen. In dieser Ausprägung findet man das weltweit auf keiner anderen Tourismusveranstaltung. Gleichzeitig sind wir auch die größte Veranstaltung dieser Art. Die ITB Berlin hat ein ganz klares Profil, sie ist und bleibt das Familientreffen der Branche. Sie ist seit Jahren fest im Kalender der internationalen Tourismuswelt verankert, und genau das ist einer unserer größten Assets. Hier kommen Fachbesucher, Aussteller und auch Mitglieder des ITB Buyers Circle zusammen – Letztere mit hoher, oft sogar finaler Entscheidungskompetenz und beachtlichem Einkaufsvolumen. Und genau deshalb wird hier vor Ort auch wirklich Geschäft gemacht.
Welchen Platz nimmt der Luxussektor auf der ITB ein? Ist die ITB die richtige Veranstaltung für diesen Bereich? Ja, unbedingt. Die ITB ist definitiv auch ein Ort für High-End-Luxus. Natürlich sind wir in diesem Bereich noch im Aufbau, wir verstehen uns nicht als reine Luxusveranstaltung, sondern als generalistische Tourismusmesse, die jedem Segment der Branche ein Zuhause bietet. Und genau das macht uns aus: Hier kann man die gesamte Touristik treffen und Geschäft machen – das ist auch für die Luxusindustrie von großer Bedeutung. Darüber hinaus gibt es rund um die ITB zahlreiche Side-Events, die gezielt den Luxusmarkt bedienen. Ich finde, das ist eine wunderbare Ergänzung zu unserem breitgefächerten Gesamtangebot.
Ein Blick in die Zukunft: Was wird auf der ITB in den kommenden Jahren auf jeden Fall bestehen bleiben? Gibt es etwas, das in Zukunft hinzukommen oder verändert werden könnte? Was definitiv bestehen bleibt, ist die Vielseitigkeit der ITB. Unser Ansatz ist und bleibt, die gesamte Wertschöpfungskette der Tourismusindustrie abzubilden. Was sich in Zukunft jedoch weiterentwickeln oder verstärken wird, sind zwei zentrale Themen: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Nachhaltigkeit ist bereits ein vieldiskutiertes Thema in der Branche, allerdings gibt es noch eine spürbare Lücke zwischen dem, was kommuniziert wird, und dem, was tatsächlich umgesetzt wird. Es wird viel geforscht: Lufthansa arbeitet zum Beispiel seit fast zehn Jahren an nachhaltigem Flugkraftstoff, und auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten tut sich viel. Der zweite wichtige Bereich ist die Digitalisierung. Was einst auf der ITB mit wenigen Ausstellern begann, umfasst heute sechs volle Hallen. Unternehmen wie Airbnb als Ergänzung zur klassischen Hotellerie oder Booking.com als digitaler Reiseveranstalter sind längst feste Größen. Ich bin überzeugt, dass diese beiden Bereiche – Nachhaltigkeit und Digitalisierung – künftig noch viel stärker gesamtheitlich gedacht und gestaltet werden.
Interview: Nina Winkler