GOOD TO GO: Nahdestination des Monats
Kleines Land, ganz groß(artig)
Vom südlichsten Fjord Europas bis zum zweittiefsten Canyon der Welt: Auf gerade einmal 13.812 km² präsentiert sich Montenegro als Ministaat der Superlative – und als Land, das auch in Sachen Luxus Sagenhaftes zu bieten hat.
Wow-Effekte
Glaubt man der Legende, dann verdankt Montenegro seinen Namen venezianischen Seefahrern, die offenbar das Pech hatten, an einem düsteren Regentag aufzukreuzen. Bei schönem Wetter wär‘ ihnen das mit dem „Land der schwarzen Berge“ ganz sicher nicht eingefallen. Denn dann erblickt man hier nicht negro, sondern verde und außerdem azzurro – und auf den Gipfeln mitunter sogar ein wenig bianco come la neve. Wem da vor lauter Wow die Worte fehlen, kann sich bei Lord Byron bedienen, der 1809 in seinem Reisetagebuch notierte: „Als unser Planet entstand, muss sich die schönste Begegnung zwischen Meer und Land an der montenegrinischen Küste zugetragen haben. Und als die Perlen der Natur verteilt wurden, wurden sie mit vollen Händen in dieses Gebiet gestreut.“ Dort erstrahlen sie bis heute, wenn auch an vom Massentourismus und Kreuzfahrtboom so geplagten Orten wie Budva oder Kotor inzwischen ein bisschen wenig hell … Atemberaubend schön präsentieren sich die knapp 110 Küstenkilometer jedenfalls noch immer. Wer sie im Sommer entdecken möchte, braucht allerdings ausreichend Zeit, gute Nerven und einen Leihwagen mit ordentlicher Klimaanlage, herrscht auf der Küstenstraße E80 zwischen Ulcinj im Süden und Herceg Novi im Norden doch zumeist Dauerstau … man sollte sie nicht verpassen, wenn man auf der Insel weilt.
Dass es auch anders (und außerdem ganz schön abgehoben) geht, verrät ein Blick auf den kleinen, aber internationalen Flughafen von Tivat, wo zwischen Anfang Juni und Ende August die Privatjets Flügelspitze an Flügelspitze parken und die Charter-Hubschrauber im Dauereinsatz zu den Helipads der Luxushotels oder Privatyachten unterwegs sind. Apropos „Privatyachten“ – vom 143 langen Dreimaster „A“ bis zur futuristisch anmutenden und rund 200 Millionen Dollar teuren Megayacht „Olivia O“: Einige der größten und luxuriösesten Boote im Mittelmeer haben Montenegro zum ganzjährigen Heimathafen erklärt. Viele andere schauen in der Sommersaison regelmäßig vorbei – was übrigens nicht nur am klaren Wasser und der spektakulären Landschaft, sondern auch am steuer- und zollfreien Schiffsdiesel liegt.
Montenegro & Moneten
Überhaupt ist „Montenegro & Moneten“ ein Thema für sich. Das fängt schon bei der Landeswährung an. Denn obwohl der Ministaat (noch) nicht zur EU gehört, ist der Euro alleiniges Zahlungsmittel, so wie in den Jahren davor übrigens die D-Mark. Ebenfalls interessant: Maximal 15 % Einkommenssteuer machen Montenegro für finanzstarke Ausländer aus Großbritannien, den USA, der Schweiz und neuerdings auch vermehrt aus der Türkei als Hauptwohnsitz außerordentlich attraktiv. Womit wir auch schon bei Immobilienprojekten wie Porto Montenegro, Portonovi oder Luštica Bay wären. An einigen der schönsten Stellen in der Bucht von Kotor errichtet, locken sie nicht nur mit Luxushotels, Designerlabels und Liegeplätzen, sondern auch mit dem begehrten Permanent Residency Permit fürs Finanzamt.
Cevapcici meets Fusion-Cuisine
Was den Retortenstädtchen an Lokalkolorit fehlt, machen sie mit kosmopolitischem Flair und gehobenen kulinarischen Angeboten wett. Bei Gourmets ganz besonders beliebt sind die Dependancen trendiger Fusion-Asiaten wie etwa das Maya Bay in Porto Montenegro, das Tapasake in Portonovi oder das Sumosan im Dukley. Aber die findet man auch in London, Monaco oder Dubai. Dann doch lieber ein Besuch in der direkt an der E65 in Kotor gelegenen Grillstube Tangja, wo Backpacker und Yachtbesitzer friedlich in der meterlangen Warteschlange beisammenstehen und Zweisterne-Koch Tim Raue einst das „saftigste Cevapcici meines Lebens, kross gegrillt und fetttriefend, auf wolkig zartem Weißbrot mit herrlich saurem Weißkohlsalat und einer göttlich süß-scharfen Ajvar-Soße“ verspeist hat. Oder man fährt ans andere Ende der Bucht von Kotor, wo Lazar atoni bei Morinj in einer alten Mühle Wildspargelsalat, schwarzes Risotto oder in Polenta panierten Oktopus serviert (www.catovica-mlini.com). Im Grunde kann man in Montenegro aber in jeder noch so einfachen Konoba, aus der es oben holzkohleschwarz herausraucht, gut und genussvoll speisen – und das für kleines Geld. Das gilt vor allem, wenn man sich vom Meer in Richtung Berge bewegt, wo die Touristenströme meist schon nach den ersten, ebenso steilen wie spitzen Serpentinen abreißen. Zu den Highlights im karstigen Hinterland gehört neben dem höchstgelegenen Mausoleum auch der zweittiefste Canyon der Welt. Vom Grabmal des hochverehrten Fürstbischofs Petar I. Petrovi-Njegoš auf aussichtsreichen 1.752 m bis in die Tiefen der Tara-Schlucht gilt es nicht weniger als 3.000 Höhenmeter zu absolvieren. Wer sich da wie im Film vorkommt, irrt nicht. Mehrere Winnetou-Filme wurden in den faszinierenden Landschaften des Durmitor- und Loven-Nationalparks gedreht, aber auch Angelina Jolies Regiedebüt „Liebe in Zeiten des Krieges“ oder der Spionage-Thriller „Der Novembermann“ mit Damals-noch-Ehemann Brad Pitt.
Filmreife Landschaft
Eine erstklassige Filmkulisse würde sicher auch das Hotel Bianca im Skiresort Kolašin abgeben (www.biancaresort.com). Mit seiner Außenfassade im Stil des jugoslawischen Brutalismus und einem Inneren, das an eine kanadische Jagd-Lodge erinnert, gehört es nicht nur zu den außergewöhnlichsten, sondern auch zu den von internationalen Hotelinvestoren am meisten umworbenen Adressen des Landes. Nur etwa eine Autostunde von der Küste entfernt, kann man in Kolašin nämlich auf 45 Pistenkilometern zwischen Dezember und April relativ schneesicher Skifahren, was die Attraktivität Montenegros als Ganzjahresziel zusätzlich erhöht. Swissôtel und Sheraton sind bereits mit eigenen Häusern vor Ort vertreten. Einige (Ultra-)Luxusbrands sollen darüber hinaus schon in den Startlöchern stehen. Zugegeben, ein „Geheimtipp“ ist Montenegro inzwischen nicht mehr. Eine attraktive und an vielen Stellen tatsächlich noch unberührte Alternative zu Côte d‘Azur & Co. bleibt der kleine Staat an der östlichen Adria aber allemal.
Text: Jörg Bertram
ANKOMMEN Während der Sommermonate haben sowohl Austrian Airlines als auch Eurowings Nonstopverbindungen nach Tivat im Programm. Als Alternative zu dem kleinen Mittelmeerflughafen in der Bucht von Kotor bieten sich die Airports von Podgorica und Dubrovnik an. Wer ab Dubrovnik mit dem Mietwagen weiter will, sollte vorab unbedingt klären, ob die Vertragsbedingungen den Grenzübertritt erlauben! www.austrian.com www.eurowings.com
BESTE JAHRESZEIT Das Wetter an der montenegrinischen Adriaküste ist mild und ermöglicht einen Badeaufenthalt bis Ende Oktober/Anfang November. Ideal für Aktivurlauber, die auch Touren ins gebirgige Hinterland unternehmen möchten, sind Mai/Juni und September/Oktober.
VOR ORT UNTERWEGS Ein Mietwagen ist unbedingt zu empfehlen – auch, wenn einen die kilometerlangen Staus auf der Küstenstraße im Sommer verzweifeln lassen.
ADRIAKÜSTE & BUCHT VON KOTOR ■ Budva Die idyllische Altstadt mit Restaurants, lokalen Designer-Boutiquen und einem Theaterfestival im Sommer lohnt einen Besuch. Tagsüber verkehren kleine Boote zwischen dem Hafen von Budva und der vorgelagerten Felseninsel Sv. Nikola mit dichtem Dschungelgrün und drei hübschen Stränden. ■ Sveti Stefan Um Montenegros meistfotografiertes Motiv tobt seit Jahren ein erbitterter Rechtsstreit zwischen dem Staat und der Luxushotelkette Aman, die auf der kleinen Fischerinsel ein ultra-exklusives Resort betrieb. Zimmer und Suiten buchen ist auch weiterhin nicht möglich, besichtigen schon. Die 25 Euro Eintritt kann man sich aber getrost sparen. Ein Snapshot von der Küstenstraße aus reicht völlig. ■ Tivat Lange als Kotors hässliche Stiefschwester verschrien, hat sich Tivat in den letzten Jahren ganz schön gemausert. Das ist vor allem dem Waterfront-Projekt Porto Montenegro zu verdanken, das für Geld und Glamour sorgte.
■ Luštica Die Halbinsel erstreckt sich von der Grbalj-Ebene bis in Dörfchen Rose und verfügt über einige der schönsten Buchten, Strände und Tauchreviere des Landes. Die meisten davon erreicht man am besten mit einem Privatboot, das sich mit oder ohne Skipper günstig chartern lässt. .
■ Herceg Novi Unweit von der kroatischen Grenze gelegen, kann man hier durch die von einer Befestigungsmauer umgebene Altstadt flanieren oder die Villa Galeb, Titos bis heute im Originalzustand erhaltene Sommerresidenz mit Bunker, Spa und Festsaal, besichtigen. ■ Perast Auf einer Landspitze in der inneren Bucht gelegenes Ministädtchen mit prachtvollen Palazzi und zwei vorgelagerten Inseln. Die eine beherbergt das Dominikanerkloster Sv. Dorda. Auf der anderen befindet sich eine Wallfahrtskirche mit hunderten Votivtafeln. Gospa od Škrplja, so der Name des winzigen Eilands, wurde über Jahrhunderte künstlich angelegt, indem hier alte Schiffe versenkt wurden und vorbeifahrende Seeleute Steine ins Meer warfen. ■ Kotor Zum Unesco-Weltkulturerbe ernannte Bilderbuchstadt mit viel italienischem Flair – und noch mehr Tagestouristen. Vor allem die vielen Kreuzfahrtpassagiere, die gleich gegenüber der alten Festungsmauer von Bord gehen, sorgen tagsüber für Gedränge in den Gassen. Tipp: Noch vor Morgengrauen die 1.350 Stufen zur Festung hinaufsteigen und 280 m über der Bucht den Sonnenaufgang genießen! Wieder zurück in der Stadt lohnt danach ein Besuch auf dem Bauernmarkt.
EXTRATOUREN Für Aktive: Die Bucht von Kotor lässt sich bequem mit dem (E-)Bike umrunden. Die rund 50 km lange Strecke verläuft zumeist flach. Verfahren ist unterwegs unmöglich, weil es immer am Wasser entlanggeht. Wer stattdessen lieber auf historischen Pfaden wandelt, findet rund um Kotor aber auch zahlreiche Militärwege aus k.u.k.-Zeiten, die vorbei an Festungsruinen und kleinen Dörfern zu Panoramapunkten führen.
Für Genießer: Eine eindrucksvolle Halbtagstour mit dem Mietwagen führt von Budva durch die Berge nach Kotor. Start ist am großen Kreisverkehr, wo die Panoramastraße M-2.3 Richtung Centinje abzweigt. Die alte Hauptstadt und Königsresidenz auf 650 m Höhe sonnt sich bis heute gern im Glanz vergangener Zeiten. Für die anschließende Etappe durch den Lovćen-Nationalpark sollte man sich viel Zeit nehmen – wegen des Panoramas und wegen der berittenen Viehhirten, die einem mitunter entgegenkommen. Höhepunkt und Abschluss der insgesamt knapp 80 km langen Tour sind die Haarnadelkurven, die zurück ans Meer führen – und mitunter des ein oder anderen Rangiermanövers bedürfen. SHOPPING Internationale Designerboutiquen findet man vor allem in Porto Montenegro. Ansonsten lohnen sich kulinarische Mitbringsel wie Schinken, Käse, Honig Trüffel und erstklassige Olivenöle. KULINARIK Fine(r)-Dining beschränkt sich zumeist auf die Restaurants in den großen Luxushotels. Ausgezeichnet speisen lässt es sich aber auch in den vielen Konobas, wo frischer Fisch sowie Fleisch vom Grill auf die Tische kommt. Rund um die Bucht von Kotor findet man außerdem zahlreiche Austern- und Muschelstände direkt am Wasser – einfach nach den entsprechenden Schildern Ausschau halten. Eine der besten Adressen für eine Weinprobe, bei der auch köstliche Häppchen serviert werden, ist die Savina Winery hoch über Herceg Novi (Reservierung unbedingt erforderlich). www.castelsavina.me ALLGEMEINE INFOS www.montenegro.travel