GOOD TO GO: Destination des Monats
Vienna Calling!
Wie wird man „lebenswerteste Hauptstadt Europas“? Allein mit barockem Charme, Sisi-Nostalgie und einem breiten Kulturangebot lässt sich die Strahlkraft Wiens jedenfalls nicht erklären. CC VIP-Autor Andreas Jaros hat sich auf Spurensuche begeben – und jede Menge weitere gute Gründe gefunden.
Destination der Sonderklasse
Die Wiener Innenstadt an einem Sommertag: Universalkünstler André Heller trippelt im langen Schatten des Stephansdoms die Singerstraße entlang. Ein asiatisches Brautpaar lässt sich in Honeymoon- Stimmung im Fiaker an der Peterskirche vorbei kutschieren. In der Einkaufspassage des Palais Ferstel lauschen Flaneure andächtig einer Harfenspielerin, die beim Donaunixenbrunnen das sanfte Plätschern des Wassers mit ihrer Fingerfertigkeit klangvoll untermalt. Im Burggarten wird gechillt und gepicknickt ... So business-as-usual-like diese City-Szenen auch sein mögen, sie haben sich doch erst kürzlich wieder zu einem Gesamteindruck verdichtet: Wien als Destination, die man gesehen haben muss. Niemand geringeres als das renommierte US-Magazin „Time“ hat Vienna unter die „World’s greatest places 2023“ gehievt. Eine weitere Umfrage neuen Datums, diesmal von der Boston Consulting Group, sah Österreichs Bundeshauptstadt in der Kategorie „Städte unter drei Millionen Einwohnern“ knapp hinter Kopenhagen und vor Amsterdam auf Platz zwei. In Sachen Lebensqualität ist Wien demnach sogar unangefochtene Nummer 1. Nicht nur auf Einheimische, sondern auch auf Städtetouristen wirkt die Donaumetropole ungebrochen anziehend: Überall Menschenschlangen im vornehmen ersten Bezirk, egal ob vor dem Kult-Zuckerbäcker „Demel“, dem ehemaligen Literatencafé „Central“, dem Schnitzelwirt „Figlmüller“, dem Sisi-Museum oder der Staatsoper, und das nicht nur, wenn Anna Netrebko ihre Arien schmettert. Im März erreichte man schon wieder 90 Prozent der Vor-Pandemie-Übernachtungszahlen, mit den stärksten Zuwächsen bei Italienern und Amerikanern. Wenn jetzt auch wieder die Asiaten in voller Mannschaftsstärke anrücken sollten, um die Mischung aus Alte-Welt- Prachtbauten, k.u.k.-Flair, Walzerseligkeit und zeitgeistigeren Angeboten auszukosten, werden auch die neuen Hotels in der Stadt so richtig Sinn machen. Im Sommer 2022 debütierte etwa das erste „Rosewood“ im deutschsprachigen Raum. Auch das „Leo Grand“ belebt die Szene, genauso wie die in diesem Frühjahr eröffneten Ringstraßenherbergen „Amauris“ und „Almanac“.
Audienz bei Sisi
Im meist überlaufenen Schloss Schönbrunn lässt sich die Geschichte Österreichs durch eine Virtual-Reality-Brille betrachten: Als würde man höchstselbst mit Sisi und Franz Joseph beim Abendmahl sitzen oder Mozart beim Komponieren beobachten. Geballte Kaiser-Nostalgie ver- sprüht auch die Spezialführung „Lege mich Eurer Majestät zu Füßen“ im Sisi-Museum in der Hofburg. Ganz in der Nähe lässt das altehrwürdige Naturhistorische Museum mit einer frischen Idee aufhorchen: Eine Übernachtung im Sauriersaal gefällig? Die Dinos als Schlummerpartner sind in einer Kinder- und einer Erwachsenenversion buchbar.
Große Tiere
Ein tierisches Vergnügen verspricht auch die Spanische Hofreitschule, in der sich 200 Beschäftigte penibel um das Wohl der berühmten Lipizzaner kümmern. Zum Wiehern fand das Nachrichtenmagazin „profil“ kürzlich einen Lokalaugenschein: „Die weißen Hengste stehen in luxuriösen, mit Gold verzierten Stallungen, jede Box ist kniehoch mit Stroh eingestreut und trägt in geschwungenen Lettern den Namen des Bewohners. In manchem Pensionistenwohnheim würde man ob der Rundumbetreuung und des Personalschlüssels wohl vor Neid erblassen.“ Kompromisslos zelebriert werden heuer auch zwei Jubiläen: Das Belvedere, die fabelhafte Sommerresidenz von Prinz Eugen, ist 300 Jahre alt, dazu kommen 150 Jahre Wiener Weltausstellung: Am 1. Mai 1873 von Kaiser Franz Joseph eröffnet, katapultierte die sechsmonatige Leistungsschau die Habsburger-Metropole in Richtung moderne Weltstadt. Die zentrale Rotunde im Pratergelände war mit einem Durchmesser von 108 m so gigantisch dimensioniert, dass darin selbst die Kuppel des Petersdoms Platz gehabt hätte. 1937 abgebrannt, erlebt sie nun als Neubau Auferstehung, ab Herbst mit 360-Grad-Kunst auf über 3.000 m2.
Markt zum Anbeißen
Hungrig vom Sightseeing? Gusto auf einen Markt-Bummel? Dann nicht reflexartig den überstrapazierten Naschmarkt aufsuchen. Autor und Kolumnist Christian Sailer empfiehlt stattdessen den Karmelitermarkt, der immer „Samstag frühmorgens zu Wiens bestem Markt mutiert“. Ein echter Geheimtipp findet sich freilich fern des Zentrums, im 12. Bezirk – der Meidlinger Markt drehte innerhalb von knapp 10 Jahren von „klinisch tot“ auf „hip“: Er kann mit dem ersten und bisher einzigen Haubenlokal auf einem Wiener Markt dienen, der „Wirtschaft am Markt“. Generell ist das kulinarische Spektrum in der 2-Millionen- Einwohner-Kapitale gigantisch. Von Fine Dining bis zum deftigen Streetfood spannt sich der Bogen – Würstel verulkt Sternekoch Lukas Mraz liebevoll zu „Wiener Sushi“.
Wiener „Essprit”
Als kulinarische Oberliga gelten immer noch das „Steirereck“ und das „Do & Co“ hoch über dem Stephansplatz, das mit fast schon skurriler Konsequenz nichts an seiner Speisekarte ändert. Vegetarier kommen im „Tian“ auf ihre Rechnung. Sehen und Gesehenwerden heißt es im „Fabios“ oder ein paar Schritte weiter im „Schwarzen Kameel“, wo als Signature Dish das Beinschinkenbrötchen mit Kren gereicht wird. Frühstückstiger werden angesichts der Etageren in der „Meierei“ im Stadtpark von Glücksgefühlen geflutet, Heurigen- Fans blicken vom „Wieninger am Nussberg“ weinselig auf Wien hinab. Mick Jagger ließ es sich nach dem umjubelten Stadion-Konzert der Stones im Vorjahr beim Würstelstand „Bitzinger“ bei der Albertina schmecken. „I can’t get no satisfaction“? Mitnichten. Eher „Wien, Wien, nur du allein“.
BARS ■ The Chapel Der Name ist Programm in dieser Speakeasy-Bar mit sakralen Dekoelementen und göttlichen Cocktails, die auch schon mal mit Milchfiltration geklärt oder über Hickory-Holz geräuchert werden. Der geheime Eingang befindet sich hinter einer Seitentür im Gasthaus „Mozart’s“. www.thechapel.at ■ Loos-Bar Die vielleicht schönste Bar der Welt (entworfen von Adolf Loos und bis heute im Originalzustand erhalten) bietet gerade einmal Platz für 20 Personen, verfügt zusätzlich aber auch über ein paar Tische im Freien. Der Mix aus Touristen, Stammgästen und Prominenten, zu denen einst auch Falco gehörte, ist mindestens so einzigartig wie Loos-Chefin Marianne Kohn, die auch mit 78 noch immer als die „Wiener Königin der Nacht“ gilt. www.loosbar.at SHOPPING ■ Mühlbauer Hüte und Hauben aus der Wiener Manufaktur Mühlbauer schmücken die Köpfe von Moderedakteurinnen und Megastars wie Madonna, Brat Pitt oder Yoko Ono. www.muehlbauer.at ■ Altmann & Kühne Sie finden die klassische Sachertorte als süßes Mitbringsel überbewertet? Dann schauen Sie unbedingt in der Confiserie Altmann & Kühne vorbei. Unweit vom Stephansdom gibt es hier handgefertigte Bonbons und Pralinés, die kleinen Kunstwerken gleichen. www.altmann-kuehne.at
■ MAK Design Shop Der Store vom Museum für Angewandte Kunst ist ein Paradies für alle Designfans – und beinah ebenso sehenswert wie die eigentlichen Ausstellungen. www.makdesignshop.at
■ Lena Hoschek Auch wenn der Flagship Store von Lena Hoschek eher an einen mondänen Pariser Salon als an eine Almhütte erinnert, zeigt sich die Mode der Austro-Designerin zumeist von traditionellen Trachten und Cocktailkleidern aus den glamourösen 50’s inspiriert. Zu den Fans ihrer femininen Looks gehören auch Stars wie Katy Perry oder Dita von Teese. www.lenahoschek.com
SUMMER IN THE CITY ■ Donaukanal Lange hat’s gedauert, bis die Wiener endlich erkannt haben, dass man so einen Kanal mitten in der Stadt nicht nur mit Brücken überbauen, sondern auch als sommerfrische Outdoormeile nutzen kann. Heute gibt es zwischen Franzens- und Augartenbrücke auf beiden Uferseiten neben Gemeinschaftsgärten, Beachbars mit Sandstränden und einem Schleusenpark auch ein paar richtig gute Streetfoodstände und (Pop up-)Restaurants.
■ Grüner Prater Gleich hinter dem „Wurstelprater“ mit Riesenrad und Hochschaubahn lockt mit dem Grünen Prater ein Naturparadies, das rund 1,5 mal so groß ist wie der New Yorker Central Park. Wer will, kann hier nicht nur im ältesten Golfclub Österreichs abschlagen, sondern auch abtauchen (Stadionbad), ausreiten oder den Tennisschläger schwingen (diverse Ställe und Raquetclubs).
■ Stadtwanderweg Ohne Schweiß kein Preis: Der rund 11 km lange Stadtwanderweg 1 führt vom bilderbuchschönen (und absolut touristenfreien) Kahlenbergerdorf hinauf auf den Leopolds- und Kahlenberg. Für den steilen Anstieg entschädigen immer wieder spektakuläre Aussichten über die ganze Stadt und die Donau bis weit ins Burgenland hinein. Der Abstieg erfolgt dann durch die Weinberge – mit Einkehrmöglichkeiten bei den beiden Edel-Heurigen „Mayer am Nussberg“ und „Wieninger am Nussberg“. www.wien.gv.at www.mayeramnussberg.at www.wieniger-am-nussberg.at ■ Wien als Sündenpfuhl Der fiktive Skandalroman „Josefine Mutzenbacher oder die Geschichte einer Wienerischen Dirne“ dient als Vorlage für die Führung „Josefine Mutzenbacher – auf den Wegen der Lust im alten Wien“. Im Fokus der frivolen Sittengeschichte stehen Bordelle, Badehäuser und die Doppelmoral einst und jetzt. www.wienfuehrung.at
■ Weltmuseum Wer sich komprimiert auf das 150-Jahr-Jubiläum der Wiener Weltausstellung und den Jugendstil einlassen will, ist im Weltmuseum an der richtigen Adresse. Das absolute Highlight kommt allerdings aus Mexiko: der berühmte Azteken-Federkopfschmuck, ein einzigartiges Artefakt – das letzte Exemplar seiner Art weltweit. www.weltmuseumwien.at
WEITERE RESTAURANT-TIPPS ■ PAUL & VITOS „Charme und französisches Bistro-Flair“ attestierte Gault&Millau dem Lokal mit Schanigarten am Petersplatz. „Portionen im Tapas-Format einer internationalen Crossover-Küche – von koreanischem Fried Chicken über Fisch-Tacos bis zu flaumigen Topfenknöderln mit Zwetschkenröster – machen Lust, sich durchs Programm zu kosten und nach dem Share-Prinzip gleich mehrere Gerichte zu ordern.“ www.paulundvitos.wien ■ &flora Zwischen Museumsquartier und Spittelberg, im Hotel „Gilbert“ mit einer Green Wall an der Fassade, wird mit leicht orientalischem Touch aufgekocht. Das &flora ist die Spielwiese von Parvin Razavi, einer Wienerin mit iranischen Wurzeln, die mit Aromen hauptsächlich Veganer und Vegetarier verführen will. Aber auch für Fisch & Fleisch ist Platz. Signature Dishes: Labneh-Kreationen mit Rüben- Feige oder Kürbisspalten- Granatapfel-Haselnuss-Salsa. An Sonn- und Feiertagen wird gebruncht, mittags lockt ein Business-Lunch. www.undflora.at