GOOD TO HEAR: Natalie Fischer-Nagel, Direktorin des Weissenhaus Private Nature Luxury Resort
„Als Hotelier muss ich mich ehrlich machen“
Krise ist überall. Aber verschlafen gerade Deutschland und Österreich als Tourismusländer ein wichtiges Opportunitätsfenster? Natalie Fischer-Nagel, Direktorin des Weissenhaus Private Nature Luxury Resort und Delegierte der deutschen-österreichischen Relais-Châteaux-Vereinigung, über die Herausforderungen in einer globalisierten Servicewelt und besondere Chancen in Zeiten der Klimaerwärmung.

Die Hotellerie ist nach wie vor in der Krise. Auch, wenn die Buchungen zunehmen, in den Abläufen funktioniert vieles nicht so, wie es sich die Betreiber wünschen. Was raten Sie Ihren Mitgliedern? Als erste Frage zurück: Welche Krise meinen Sie denn ganz genau? Meinen Sie die Rezession, die Inflation oder den Personalmangel? Ich denke, dass die Hotellerie hier von allen drei Punkten betroffen ist. Ja, das ist leider richtig. Als Kredite noch günstig waren, haben sich Menschen zum Teil einen Kredit aufgenommen, um auf Urlaub zu fahren. Ein Aspekt, der jetzt wegfällt. Dazu kommen steigende Energiepreise, die An- und Rückreise verteuern und das Personalproblem. So entsteht eine Diskrepanz zwischen dem finanziellen Druck für alle Beteiligten und dem Service auf der anderen Seite, der oft nicht ideal abläuft. Sie haben vollkommen recht. Wir sind aktuell in einer Phase, die sehr spannend ist. Allerdings nicht nur für die Hoteliers, sondern für alle großen Unternehmen und die Industrie. Ich sehe diese drei Krisen, die wir gerade angesprochen haben, etwas losgelöst. Und ich glaube auch, denn das war sehr interessant, was Sie gerade eingeworfen haben, dass es früher Gäste gegeben hat, die einen Kredit aufgenommen haben, um in den Urlaub zu gehen. Das ist eine Gegebenheit, die wir allerdings in unserer Relais Châteaux Welt in Deutschland und Österreich bisher nicht hatten. Unsere Zielgruppe ist seit jeher der Gast, der aus dem mittelständischen Bereich kommt und sich damals den Urlaub leisten konnte, und zwar noch sehr viel länger und umfangreicher, und sich diesen Urlaub heute immer noch leisten kann.
Aber wir wissen beide, dass der mittelständische Bereich am stärksten angegriffen ist durch die Krise. Auch da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Dennoch ist es so, dass wir bei Relais Châteaux gar nicht so sehr im mittelständischen Zielgruppenbereich mit unseren Hotels angesiedelt sind, sondern im oberen Bereich. Ich bin überzeugt, dass die Luxushotellerie langfristig der Gewinner sein wird. Die Welt von Relais Châteaux findet darüber hinaus ein bisschen auf einem Nebenschauplatz statt. Wir sind nicht im Universum der Hotelgründer oder großen internationalen Ketten. Unsere Hoteliers, meist Familienunternehmen, haben fast alle seit Jahrzehnten ihre Immobilien abbezahlt. Dies ergibt natürlich eine andere Situation und deshalb sind wir auch anders durch die Corona-Krise gekommen.
In Österreich gibt es nicht wenige Orte, in denen 90 Prozent aller Hotels so aufgestellt sind, wie Sie es schildern. Häufig müssen Mitarbeiter:innen aus Spanien und Griechenland eingeflogen werden, weil es seit Corona kaum mehr lokales Personal gibt. Dann kommt man also ins Luxushotel und keiner spricht Deutsch. Für die junge Gäste-Generation ist das okay, für ältere Leute häufig ein Problem… Es ist kein österreichisches Phänomen, das Sie hier schildern. Das ist in Deutschland, in der Schweiz genauso und unabhängig von Top- oder Budget-Hotellerie. Diese neuen Realitäten müssen wir gerade anerkennen. Ich verstehe aber, wenn lebenserfahrene, vielleicht etwas konservative Gäste sich in einem Luxushotel fragen, wie kann es sein kann, dass mich die Servicekraft nicht in meiner Landessprache versteht. Als Hotelier muss ich mich dort ehrlich machen und sagen: Wenn Sie, lieber Gast, in den nächsten zehn Jahren und in weiterer Zukunft bei uns essen, trinken gehen, versorgt und verwöhnt werden wollen, wird das die Realität sein – ganz gleich, ob wir das jetzt gut oder schlecht finden.
Für die Hotellerie ein schwieriges Zeitfenster. Auf der einen Seite hat man sein Stammteam. Menschen, die mit einem Jahrzehnte gehen. Auf der anderen Seite – ich denke, das sind 50 oder 60 Prozent – stoßen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen saisonal dazu und wechseln alle zwei, drei Jahre den Job, das Land, die Position, vielleicht auch die Branche. Unsere Aufgabe als Hoteliers ist es, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszubilden und ihnen die Mittel für einen Deutschkurs, Deutsch-Podcast oder ähnliches zu geben. Ich hätte gerne, dass jede Konversation mit einem lokalen Gruß begonnen wird und mit einem lokalen Gruß beendet wird. So etwas muss auswendig gelernt werden. Aber ein einseitiges Missverhältnis zu besprechen und zu sagen, das ist ein Skandal, nicht mal in meinem Land gibt es noch die deutsche Sprache, bringt niemanden weiter. Ich ermutige jeden Gast: Feier deine Service-Kraft, gib ihr oder ihm ordentliches Trinkgeld. Als Investment, dass der Mensch in der Branche bleibt und auch morgen noch Lust hat, kompetent, nett und charismatisch zu bedienen. Denn es hat auch mit Würde zu tun, Gäste zu betreuen und zu bedienen.

Dennoch – die Frage, die sich stellt, ist: Was passiert eigentlich mit den Absolventen von Hotelfachschulen? Wo gehen die hin? Die sind erstmal alle bei mir (lacht, Anm.). Tatsächlich sind immer rund 14, 15 dieser jungen Menschen bei mir auf Weissenhaus. Genau die Frage, die Sie sich stellen, stelle ich mir jeden Tag und darüber hinaus, was ich als Hotelier, als Delegierte tun kann, um diese wunderbaren Menschen in unserem Kosmos zu halten. Dazu muss man verstehen, was sie bewegt. Also gehe ich einmal im Quartal mit ihnen in unser 2 Sterne-Restaurant essen, gucke ihnen in die Augen und erkundige mich in besonders angenehmer und wertschätzender Atmosphäre, warum sie hier sind und was ihre Pläne sind. Denn eines dürfen wir nicht unterschätzen: Das sind absolute Leistungsträger. Gerade Elite-Schmieden bringen keine Damen und Herren hervor, deren Erfüllung es langfristig ist, im Service zu arbeiten oder an der Rezeption. Das sind junge Menschen, die im Durchschnitt 80.000 Euro für ihre Ausbildung ausgeben. Und dies in der Erwartung, dass sie erstens eine persönlichkeitsbildende Ausbildung erhalten und zweitens direkt in eine Führungsrolle hineinwachsen. Die Hälfte verbleibt in der Hotellerie in einer Führungsrolle, die andere Hälfte wandert in andere Branchen ab – jeder Apple Store auf der Welt reißt sich um sie. Sie sind charmant, organisiert, können Gästebeziehung, Gästebindung. Das ist das Attraktive an unserer Branche: Unsere Ausbildung hat einen Wert, der überall auf der Welt mit Handkuss begrüßt wird. Welche Beschäftigungsmodelle gibt es, um den Beruf wieder attraktiver für junge Leute zu machen? Immer weniger Menschen wollen am Wochenende arbeiten… Ich liebe diese Frage, sie ist ein bisschen geframed: Man muss am Wochenende arbeiten, die Leute wollen das nicht. Ich darf sagen, dass ich seit 23 Jahren – nicht in Ermangelung anderer Möglichkeiten – in der Hotellerie erfolgreich bin. In meinem ersten Beruf bin ich staatlich geprüfte Kosmetikerin. Als Kosmetikerin hätte ich mir nicht gedacht, eines Tages Staatschefs und Könige betreuen zu dürfen und im persönlichen Austausch mit ihnen zu sein. Diese Möglichkeiten hat mir die Hotellerie gegeben. Das ist die eine Sache. Die andere Sache ist: Wenn eine Bürofachangestellte nicht am Wochenende arbeiten möchte, aber dann zum Beispiel erfährt, dass sie in der Hotellerie jeden Monat 800 Euro netto Trinkgeld bekommt, wenn sie samstags und sonntags arbeitet, und zwar auch nur acht Stunden am Tag, dann überlegt sie sich das vielleicht nochmal. 800 Euro jeden Monat zuzüglich zum Gehalt, zum Weihnachts- und Urlaubsgeld!

Der Punkt ist: 800 Euro netto mehr im Monat sind natürlich super – dazu müsste man allerdings wissen, wie hoch oder niedrig das Basiseinkommen ist… Unser Anspruch ist, dass die Erfahrungen, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Relais Châteaux Häusern machen, von Wertschätzung und Erfolg geprägt sind. Ich würde die Frage nach der leistungsgerechten Entlohnung folgendermaßen beantworten: Wir sind in der privaten Hotellerie mehr als alle anderen auf Stabilität bei unseren Mitarbeitern angewiesen. Wir haben Stammgäste, die ihre vertrauten Gesichter brauchen, die sie über Jahre betreuen. Sie sprachen die Arbeitszeiten an. Sie wissen, wir sind ein 24-Stunden-Betrieb. Wenn Bewerberinnen oder Bewerber sagen, dass sie nur morgens arbeiten können, dann finden wir das wunderbar. Wir haben ein tolles Frühstück, man kann morgens arbeiten und mittags die Kinder abholen. Wenn jemand sagt, er möchte nur 32 Stunden arbeiten, ist das doch okay! Die oder der andere sagt: Wissen Sie, am Morgen kann ich nicht, ich betreue meine Mutter, die hat da ihre Einrichtung, da muss ich sie dahinfahren. Was haben Sie für mich? Wir können so flexibel sein und sagen: Wunderbar, dann kommen Sie um 15 Uhr und machen bitte die Abendschicht. Wollen Sie Teilzeit arbeiten, wollen Sie 24 Stunden pro Woche arbeiten, wollen Sie Vollzeit arbeiten? So viel Flexibilität ist auch in der Hotellerie möglich.
