CC VIP Experts on Tour: Luxusdestination Gstaad
Entschleunigung auf der Alp

Überdimensionierte Fonduetöpfe, eine Kathedrale für das „Gold der Alpen“ und heimelige Chalethäuser – das Schweizer Saanenland hat noch mehr zu bieten als Luxushotels und edle Boutiquen. CC VIP hat sich umgeschaut.
Wie könnte es anders sein …
… Auch im Schweizer Nobelort Gstaad führen alle Wege zum Käse: Ob in den Luxushotels wie Alpina und Ermitage, im neueröffneten Boutiqehotel The Mansard oder im Posthotel Rössli, dem ältesten Gasthaus in Gstaad, der Saaner Hobelkäse fehlt auf keiner Speisekarte – beim Frühstück oder als Magenschließer nach dem Dinner. Der würzige Rohmilchkäse stammt von Sennereien im Berner Oberland, wie der von Bergbauer Dominik Matti auf der Alp Bodme auf der Wispile, dem Hausberg der Ferienregion Gstaad. „Rühren, rühren, rühren, das ist das Wichtigste bei der Käseherstellung“, erklärt Matti. Was in dem riesigen Topf in der 200 Jahre alten Hütte bei der Gondel-Mittelstation über einem Holzfeuer brodelt, erinnert an Geschichten über Hexenküchen und Zaubertränke. Tatsächlich ist es die auf 32 Grad erwärmte Milch. „Zehn Liter davon ergeben ein Kilogramm Käse“, erklärt Matti. Pro Tag sind es vier Laibe, und jeder wiegt zehn bis zwölf Kilogramm. Pro Sommer produziert der Bergbauer etwa drei Tonnen Käse, zwei davon verkauft er über die Genossenschaft im Tal und den Rest an Touristen, Hotels und Restaurants.
Seit 25 Jahren verbringt …
… der Bergbauer in vierter Generation gemeinsam mit seiner Frau Antonia den Sommer auf der Alp – im Juli an der Mittelstation auf rund 1.600 Metern Höhe und im heißen August auf 1.800 Metern an der Bergstation. „Das Käsemachen ist die perfekte Entschleunigung“, weiß er. „Man muss Geduld aufbringen, es dauert eben, bis es fertig ist.“ Das Käsemachen im Saanenland geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Im Gegensatz zu damals sind die rund 80 Käsereien heutzutage erschlossen und mit dem Auto erreichbar.
Von der Bergstation Wispile aus über den Bergkamm in Richtung Gsteig/Lauensee ist es nur eine rund 45-minütige Wanderung bis zum nächsten Käse-Highlight: Mitten in der Berglandschaft taucht ein riesiges Caquelon auf, ein Topf, der für die Zubereitung von Käsefondue genutzt wird. Insgesamt sechs dieser überdimensionalen Töpfe aus Holz sowie zwei extra dafür eingerichtete Hütten sind in der Region verteilt. Sie sind mit einer Bank und einem Tisch für acht Personen ausgestattet. Es empfiehlt sich, vor der Gondelfahrt auf die Wispile bei der Molkerei Gstaad oder oben im Berghaus Wispile einen rustikalen Fonduerucksack zu kaufen. Dieser enthält alles, was man zur Zubereitung eines Käsefondues – wahlweise mit oder ohne Trüffel – braucht. Auch dabei ist wieder Rühren angesagt, aber nach ein paar Minuten heißt es: den Käse und den Blick auf die umliegende Bergwelt genießen. Den Rucksack gibt es alternativ auch für Raclettefans.
Direkt neben dem Caquelon …
… lockt eine weitere Attraktion, die Käsegrotte. Im umfunktionierten Wasserwerk führen schmale Stiegen 30 Meter steil in die Tiefe. Unten erwarten die Besucher Käsereihen bis unters Dach und eine feierliche Kerzenbeleuchtung. Wenn René Ryser dann noch klassische Musik auflegt, kommen sie sich vor wie in einer Käsekathedrale. „3.000 Laibe Käse à zehn Kilogramm reifen hier bei einer konstanten Temperatur von 10,7 Grad Celsius“, erklärt der Geschäftsführer der Molkerei Gstaad, die die Grotte 2005 eröffnete. An einer Wand ziehen zwei besonders große und dunklere Laibe den Blick auf sich. „Das ist unser Museum“, scherzt Ryser. „Sie sind 80 und 100 Jahre alt – aber leider hart wie Stein und ungenießbar.“ Die Käsegrotte steht Besuchern nach Voranmeldung und in einer Gruppengröße von mindestens sechs Personen das ganze Jahr über offen.
In den Wintermonaten …
. . . von Mitte Dezember bis Mitte März lockt der Wispile mit knapp neun Kilometer Pisten aber eher Skifahrer und Snowboarder auf den Berg. „Sommer- und Wintertourismus halten sich im Saanenland die Waage, und die Winterurlauber sind mehr Genusstouristen als Skifahrer“, erklärt Bethli Küng. Die 78-jährige ehemalige Lehrerin und Politikern wäre beinahe Skirennfahrerin geworden. Als Mitglied der Ski-Nationalmannschaft war sie für die Olympischen Winterspiele in Grenoble 1968 nominiert, musste dann aber wegen einer Verletzung ihre Karriere beenden. Heute führt sie interessierte Besucher durch das historische Dorf Saanen und weiß zu jedem der oft jahrhundertealten, dunkelbraunen Bauernhäuser eine Geschichte zu erzählen. Das Amiet-Haus ist das älteste Wohnhaus in Saanen und hat als eines der wenigen einen verheerenden Dorfbrand im Jahr 1557 überstanden. Der Bau aus dem Jahr 1555 ist noch nahezu original erhalten und gleichzeitig das Elternhaus von Küng. Die traditionelle Architektur im Chalet-Stil ist bis heute erhalten und nicht nur typisch für die Gemeinde Saanen und den touristischen Hauptort Gstaad. Sie ist sogar seit 1958 gesetzlich vorgeschrieben.
Die zweite Attraktion in Saanen …
… ist die Mauritius-Kirche, in der der Geigenvirtuose und Dirigent Yehudi Menuhin seine jährlich stattfindenden Konzerte in der Kirche Saanen begründete. „Er fand die Akustik großartig und kam deshalb immer wieder“, erklärt Küng. Von 1954 bis 1960 wohnte der Musiker in Gstaad zur Miete, danach im eigenen Chalet. Seit 1957 zieht das Gstaad Menuhin Festival & Academy jeden Sommer Musikliebhaber aus aller Welt an. Auch sonst ist einiges los in der kleinen Berggemeinde: Im September treffen sich die Stars der Szene bei der Country Night Gstaad, und Ende Januar bietet das Festival Sommets Musicaux de Gstaad jungen Klassik-Talenten und international renommierten Künstlern eine Bühne. Sportliche Höhepunkte sind das Herren-Tennisturnier EFG Swiss Open im Juli und der Hublot Polo Gold Cup Ende August.
Text: Susanne Freitag