GOOD TO GO: Destination Bali
Insel der Götter & der Gegensätze
Mitten im pazifischen Feuerring gelegen, wagt Bali den Tanz auf dem Vulkan: Einerseits locken Reisterrassen, Tempel, Traumstrände und Luxushotels. Andererseits nerven Staus, Müll und überfüllte Hotspots. Wer die Insel heute besucht, erlebt beides: beeindruckende Schönheit und die Auswüchse des Massentourismus. Warum der Bali-Mythos trotzdem noch immer nichts an Faszination verloren hat, wissen da nur die Götter.
Göttliche Gelassenheit
Tourismus ist wie Feuer. Du kannst damit ein Essen kochen oder dein Haus abbrennen“: Zugegeben, die Redewendung stammt ursprünglich nicht aus Bali, sondern aus Sri Lanka. Leider ist sie 4.000 km weiter südöstlich, inzwischen aber mindestens ebenso gültig. Denn vor allem in Balis Hauptstadt Denpasar sowie rund um Kuta, Legian, Seminyak und Ubud ist aus der ehemaligen Götterinsel längst ein exotischer Vorhof zur Hölle geworden – laut, dreckig und dank so gut wie nicht vorhandenem öffentlichen Personennahverkehr oder funktionierender Infrastruktur dauerverstopft. Kein Wunder also, dass die übers Jahr gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit eines Taxis im Inselsüden gerade einmal 8,4 km in der Stunde (!) beträgt … All das kann man mit der Gelassenheit der Balinesen hinnehmen oder sich fragen, wann die Tourismusverantwortlichen endlich erkennen, dass sich mit Kunst, Kultur und Natur nachhaltiger Geld verdienen lässt, als mit billigem Kommerz, komasaufenden Australiern und reichen Russen, die vor allem auf der Bukit-Halbinsel einen betongewordenen Alptraum neben dem anderen an die Felsküste knallen.
Sehnsuchtsinsel
Wie es dazu kam, dass Bali zunächst zum Sehnsuchtsziel für Aussteiger und dann zur Massendestination für alle wurde? Die einen behaupten, die Eröffnung des Ngurah Rai International Airports im Jahr 1970 sei der Auslöser für den Run auf die Insel gewesen. Andere sagen, mit Julia Roberts und der Eso-Schmonzette „Eat, Pray, Love“, die 2010 die Kinoleinwände in aller Welt mit zuckersüßen Bali-Bildern übergoss, hätten die ersten touristischen Auswüchse begonnen. Und dann gibt es auch noch diejenigen, die den Digital Nomads und all den Influencern, die sich während und nach der Pandemie auf Bali niedergelassen haben und vor deren Selfies inzwischen kein Inseläffchen mehr sicher ist, die Schuld an der Misere geben. Letztendlich haben sie alle recht – und auch wieder nicht. Denn mit dem deutsch-russischen Künstler Walter Spies kam der eigentliche Begründer des Bali-Mythos bereits sehr viel früher – genauer gesagt im Jahr 1927 – in Ubud an. Als Musiker und erstklassiger Maler erregte er damals ebenso Aufsehen, wie als begnadeter Multiplikator, dem es immer wieder gelang, zivilisationsmüde Schriftsteller, Stars und Societygrößen wie Charlie Chaplin, Vicki Baum oder Barbara Hutton in sein Berghäuschen im Schatten vom Gunung Agung, Balis heiligem Berg, zu bringen. Wer es den Promis von einst gleichtun möchte, schaut am besten auf die Airbnb-Website. Zimmer in der von Spies erbauten Villa Iseh gibt’s hier ab 150 Dollar die Nacht – Pool, eine traumhafte Aussicht und das Wissen um Vormieter wie Mick Jagger oder David Bowie inklusive (nächste freie Termine übrigens im Februar 2026). Kein schlechter Deal, wenn man außerdem bedenkt, dass sich das ehemalige Künstlerrefugium im Dörfchen Sidemen befindet, von dem Inselkenner behaupten, dass es an das „Ubud von vor 20 Jahren“ erinnert.
Zeitreise inklusive
Wer noch mehr „gutes, altes Bali“ sehen und erleben möchte, fährt von Sidemen weiter nach Desa Adat Tenganan Pegringsingan, einem Ort an dem die Zeit tatsächlich still steht. Die 300 Dorfbewohner gehören zum Volk der Bali Aga, das von den Ureinwohnern Balis abstammt und bis heute nach strengen Regeln und Ritualen lebt. Da die reichen „Altbalinesen“ auf ihren Reisfeldern „einfache“ Bauern aus den Nachbargemeinden für sich arbeiten lassen, können sie sich ganz ihren zahllosen religiösen Pflichten oder dem Weben ebenso kostbarer wie kunstvoller Geringsing-Stoffe widmen. Die entstehen in einer hochkomplexen Doppelikat-Technik, die außer in Adat Tenganan Pegringsingan nur noch in einem Dorf in Indien und einem weiteren in Japan beherrscht wird. Die Herstellung von einem Meter Stoff kann da schon mal mehrere Jahre dauern – entsprechend hoch sind die Preise. Handeln lohnt sich, auch wenn unter 800 Dollar kein Original, egal wie klein, zu haben ist.
Wohnen und aufleben
Wem nach einem Besuch im Dorf der Sinn nach Abkühlung steht, hat die Qual der Wahl: Der ca. 20 Minuten entfernt gelegene Virgin Beach gehört zu den schönsten im Südosten Balis. Genauso schnell erreichbar ist aber auch der Gembleng-Wasserfall in Tri Eka Buna mit mehreren Naturbecken, die zum Baden einladen und selbst die spektakulärsten Hotel-Infinitypools auf der Insel ziemlich unspektakulär erscheinen lassen. Apropos „Hotel-Infinitypools“: Ohne die scheint kein einziges der über 100 (!) 5-Sternehäuser auf der Insel auszukommen. Oftmals sind sie sogar schon in den unteren Suitenkategorien Standard, was sicher auch zum erstklassigen Ruf der Insel-Hotellerie beiträgt. Von A wie „Aman Resorts“ bis W wie „W“, die lifestylige und designorientierte Luxusmarke aus dem Hause Marriott: Wer als Hotelbrand auf sich hält, zeigt in Bali Präsenz – oder zumindest Interesse, so wie u. a. Anantara, Kempinski, Mandarin Oriental und Waldorf Astoria, die innerhalb der nächsten zwei Jahre erste bzw. weitere Häuser auf der Insel eröffnen werden. Für Luxus auf höchstem Niveau steht aber auch eine neue Generation an Eco-Resorts, die eindrucksvoll beweisen, dass Glamour auch grün und gut fürs Gewissen sein kann. Zu den gelungensten Beispielen gehört neben dem Buahan, A Banyan Tree Escape und dem Capella Ubud auch das Munduk Moding Plantation Resort auf einer Kaffeeplantage in den Highlands. Und dann wäre da auch noch das Lost Lindenberg, das seine Gäste einmal wöchentlich sogar proaktiv zum gemeinsamen Mülleinsammeln am Traumstrand animiert und nach getaner Arbeit zu Gin & Tonics auf der Terrasse mit Blick über die Mangroven aufs Meer einlädt. Bleibt zu hoffen, dass solche Beispiele Schule machen. Dann kann man mit dem Feuer, das der Tourismus auf der Insel entfacht, nämlich nicht nur Essen kochen, sondern auch den Bali-Mythos noch lange erstrahlen lassen.
Text: Jörg Bertram
ANREISE Als einzige Airline aus dem EU-Raum fliegt KLM nonstop ab Amsterdam nach Bali. Empfehlenswert sind die Umsteigeverbindungen mit Turkish Airlines ab vielen Airports in D, A und CH über Istanbul oder mit Singapore Airlines ab Frankfurt oder Zürich via Singapur. Darüber hinaus wird Bali auch täglich von den meisten Golf-Carrieren angeflogen. BESTE JAHRESZEIT Aufgrund der Nähe zum Äquator liegt die ganzjährige Durchschnittstemperatur um 30 °C. Am wenigsten Regen fällt zwischen Mai und September. Im regenreicheren Juli und August herrscht trotzdem Hochsaison. Voll wird es auf Bali aber auch im Dezember und Januar, wenn viele Australier auf der Insel Urlaub machen. VOR ORT UNTERWEGS Bali mit dem Motorrad oder -roller? Das klingt nach Aussteigertraum, ist aufgrund der chaotischen Verkehrsverhältnisse aber ziemlich gefährlich. Fahrten mit dem Mietauto (Achtung, Linksverkehr!) sind ebenfalls nur etwas für Mutige – und vor allem Geduldige –, die gerne im Dauerstau stehen. Am besten reserviert man stattdessen im Hotel einen Wagen mit Fahrer (ca. 80 Euro pro Tag oder lädt sich die Apps von Grab oder Gojek herunter, die wie Uber funktionieren.
ANSCHAUEN ■ Balis Süden Auch wenn hier längst Overtourism herrscht, hat der Inselsüden einiges zu bieten. Unbedingt anschauen: das Bali Museum mit Indonesiens höchster Götterstatue am Puputan Square in Denpasar, den Jimbaran Beach mit Fischmarkt am Morgen und Open-Air-Restaurants am Abend, Puru Luhur Uluwatu, ein Tempelheiligtum auf einem Felsen 100 m über dem Meer und Pura Tanah Lot, eine weitere Tempelanlage, die den vielleicht schönsten Sonnenuntergang Balis bietet. ■ Der „wilde“ Westen Balis Westen ist ein Paradies für Naturliebhaber und Heimat des Taman Nasional Bali Barat – ein Nationalpark mit gut ausgeschilderten Hiking-Trails, die allein oder mit Guide absolviert werden können. Wer's bequemer will, lässt sich die 14 km lange Straße von Jatiluwith nach Wonggayagede hinaufchauffieren und genießt den Blick auf sich himmelwärts stapelnde Reisterrassen – traumhaft schön! Von Jalan Labuhan geht’s mit Ausflugsbooten auf die unbewohnte Insel Pulau Menjangan – ein Paradies für Schnorchler und Taucher. ■ Das Herz der Insel Mit Ubud befindet sich eines der absoluten Must-Sees in Zentralbali. Wem der Trubel in der Stadt zu viel wird, der folgt auf der Touristenmeile Jl. Raya Ubud dem Schild „Sari Organik“ und erreicht nach einer halben Stunde Wanderung durch die Reisfelder einen hübschen Vorzeige-Biobauernhof. Kunst statt Kitsch ist im Neka Art Museum (www.nekaartmuseum.com) angesagt. Balis vielleicht beeindruckendste Tempelanlage Pura Kehen befindet sich in Bangli, einer Stadt auf 500 Metern Seehöhe nordöstlich von Ubud.
■ Der ruhige Osten Der bis heute aktive Gunung Agung gilt als der Sitz von Balis Göttern. Wer will, kann den 3.142 m hohen Vulkangipfel besteigen und selbst nachschauen, ob's stimmt (unbedingt einen Guide buchen!). Reif für die Inseln vor der Insel? Nusa Penida, Nusa Ceningang und Nusa Lembongang liegen knapp vor der Küste und gelten als Wassersportparadiese. Das von Urwald und Reisterrassen umgebene Dorf Sidemen ist das Xanadu der Sinnsuchenden. Mehr Yoga- und Meditationsretreats auf weniger Raum findet man nirgends.
SHOPPEN ■ Surfshop, Galerie, Kochschule, Kino, Concept Store für junges, heimisches Design: Drifter (mit Läden in Uluwatu und Seminyak) ist alles in einem – und wahnsinnig cool! www.driftersurf.com ■ Sensatia Botanicals ist das erste öko-zertifizierte Kosmetiklabel Balis. Top: die Steinkohle-basierte Zahnpasta und die Haarpflegelinie mit Reisprotein. Über die Insel verteilt gibt’s 13 Stores. www.sensatia.com ■ Paola Zancanaro hat viele Jahre für Prada und Armani gearbeitet, bevor sie 2010 ihr Fashion-Label Namu Store auf Bali gründete. Ihre Mode verbindet cleane, zeitlose Styles mit lokalen Elementen und wird ausschließlich auf der Insel gefertigt. Einen eigenen Store gibt es in Seminyak. www.namustore.com
■ Gaya Ceramic ist eine der besten Inseladressen für moderne Keramik. Wer im Showroom in Ubud nicht fündig wird, kann dort auch einen Töpferkurs buchen und sich selbst an die Drehscheibe setzen. www.gayaceramic.com ■ Im architektonisch sehenswerten Ambiente (moderne Bambusbauten) präsentiert John Hardy außerhalb von Ubud seine außergewöhnlichen Schmuckkreationen – viele davon aus geflochtenem Silber. Wer will, kann auch Workshops und Masterclasses buchen und dabei selbst zum Schmuckdesigner avancieren. www.johnhardy.com ■ Körbe, Kissen, Batikstoffe als Meterware, aber auch Taschen und Schals: Bei Threads of Life kauft man hochwertiges Kunsthandwerk sowie Allerlei für den Alltag – und tut dabei noch Gutes. Sämtliche Produkte werden nämlich auf der Insel von kleinen Kooperativen aus dem ländlichen Raum oder von Selbsthilfegruppen hergestellt. www.threadsoflife.com ■ Und dann wäre da noch die Straße der Kunsthandwerker, die sich auf einer rekordverdächtigen Länge von 26 km von Denpasar bis nach Ubud erstreckt und von alten Aussteuertruhen bis zu handgeschnitzten Zimmertüren alles bietet, was man für den angesagten Bali-Style zu Hause braucht. Wer sich hier im größeren Umfang eindecken möchte, sei unbesorgt: Fast alle Händler verschiffen zu relativ günstigen Preisen und absolut zuverlässig nach Europa. ■ WEITERE INFORMATIONEN www.balitourismboard.info