GOOD TO HEAR: George Fleck, Vice President and Global Brand Leader W Hotels
„Die Marke W hat schon immer den Status quo herausgefordert“
Am Abend der spektakulären Eröffnungsfeier des W Budapest traf Chefredakteurin Simone Dressler George Fleck, Vice President and Global Brand Leader W Hotels. Im Gespräch verriet der gebürtige Deutsche, wie die Marke W weiter wachsen möchte und warum das W Budapest eine neue Generation im Markenportfolio einläutet.

Sie sind seit ein paar Monaten Vice President und Global Brand Leader für die W Hotels aus dem Marriott-Portfolio. Vorher waren Sie in dieser Position für die Marke St. Regis verantwortlich. Warum diese Veränderung?
Ich bin ja kein Fremder für die Marke W Hotels, da ich vor einem Jahrzehnt schon Markenmarketingdirektor der W Hotels war. Ich glaube, was so aufregend an einer Marke wie W ist, ist, dass moderne Luxus-Lifestyle-Marken viel schneller agieren müssen, weil Trends, Interessen und die Wünsche der Gäste sich im Allgemeinen viel schneller ändern, und das gilt auch für alle anderen Luxusmarken und -branchen. Eine klassische, ikonische, legendäre Marke wie St. Regis ist einfach zeitloser.
Können Sie Beispiele nennen? Wenn Sie in die großartige, luxuriöse, traditionelle Lobby des St. Regis Rome gehen, sehen Sie genau das, was Sie von dieser klassischen Luxusmarke erwarten, und dieser Luxus altert nicht so schnell. Wenn Sie aber einen moderneren Lifestyle-Raum betreten, ist das anders. Hier muss man sich ständig neu erfinden, was sehr herausfordernd ist. Weil das Hotel sehr lange als Marke existieren sollte, muss man sie immer frisch und aufregend halten. Marken wie Edition und W stehen für die moderne Seite im Marriott-Luxusmarken-Portfolio, auf der klassischen Seite haben wir Ritz-Carlton und St. Regis. Im Grunde genommen hat sich die Rolle von W seit der ersten Eröffnung nicht verändert, denn die Marke hat schon immer den Status quo herausgefordert. Das ist auch ihre ursprüngliche Bestimmung. 1998, als das erste W Hotel aufsperrte, wurde die Marke durch die Energie der Stadt New York geboren. Es gab viele Neuerungen, die die Luxushotellerie bislang nicht erlebt hatte: Es wurde das W-Bett vorgestellt, man setzte auf Musik, Mode, Unterhaltung und kreative Cocktails und eine viel entspanntere Atmosphäre in den Hotels, weil viele Gäste den damals gängigen traditionellen Luxus nicht mehr wollten. Wenn Sie jetzt schnell zurückspulen, und sich daran erinnern, was in der Zeit der Supermodels in den späten 90ern, insbesondere in New York, geschah, gab es sehr viele kulturelle Veränderungen. Jetzt, zwei Jahrzehnte später, erleben wir, dass wieder interessante kulturelle Veränderungen stattfinden. Was sich im Licht der Pandemie besonders geändert hat, ist der Gast von heute: unsere jüngeren, wohlhabenderen Gäste sind jetzt viel zielgerichteter. Das Zimmerprodukt war für sie früher in der Regel nicht so wichtig wie die soziale Interaktion. Heute möchten sie auch einen persönlichen Rückzugsort haben und die Möglichkeit, ein Hotelzimmer nahtlos als Arbeitsplatz oder als Wohnraum zu nutzen, weil sich unser aller Leben nach der Pandemie einfach geändert hat.
Was hat sich bei W konkret geändert? Wir haben erkannt, dass wir nicht nur ein Ort für Spaß, Spiel und soziale Begegnungen sind, sondern auch eine Art Oase bieten müssen. Deshalb haben wir uns entschlossen, Material, Stoffe und Texturen auf ein höheres Niveau zu heben, damit unsere Gäste Stil, aber auch Substanz spüren können. Dabei verlieren wir aber keinesfalls den Spaß und die Verspieltheit der Marke aus den Augen. Wenn ich das aktuelle W-Konzept in sehr wenigen Worten beschreiben müsste, würde ich sagen, es basiert weiter auf dieser Idee von „befreitem“ Luxus. Das heißt, Luxus, der jenseits der Normen der traditionellen Luxus-Hotellerie positioniert ist. Wir möchten unseren Gästen erlauben, so zu sein und aufzutreten, wie sie es sich wünschen. Wir wollen ein Gefühl von Willkommensein, Wärme und natürlichem Service in einer Umgebung bieten, die theatralisch und immersiv ist. Immersiv ist für die Marke W ein sehr wichtiges Wort, denn im Rückblick auf die Pandemie möchten die Gäste wieder intensivere und authentische Erlebnisse haben.
W war von Anfang an eine sehr populäre Marke die sehr schnell gewachsen ist. Ist das heute immer noch so? Ja, wir bleiben eine Marke mit sehr starkem Wachstum. Heute haben wir 69 Hotels, und 30 weitere sind bereits in der Pipeline. In den nächsten fünf Jahren werden wir also auf 100 Hotels angewachsen. Mich begeistert unsere Expansion besonders in Europa, weil der Kontinent ein wirklich wichtiger Markt für die Marke ist. Ich denke da an unsere Häuser in Rom, Budapest, Prag, Barcelona, Mailand, Edinburgh und demnächst auch in Neapel. Diese Städte entsprechen dem Markenkern, denn sie spiegeln genau diese Theatralik und Lebendigkeit wider, wie wir sie lieben.
Warum gibt es kein W Hotel in Deutschland? Ist Deutschland nicht sexy genug? Aber ja. Ich denke, es muss das richtige Projekt im richtigen Markt gefunden werden. Ich würde es lieben, wenn wir in den deutschen Markt und in Österreich einsteigen könnten, und auch Wien passt wunderbar zur Marke. Auch Berlin und München wären großartige Städte für W, und ich ermutige unser Entwicklungsteam ständig, hier Projekte zu finden. Deutschland steht definitiv auf unserer strategischen Prioritätenliste.

Ich habe gerade gehört, dass das W Budapest eine neue Benchmark für die Marke bedeutet. Können Sie genauer erläutern, warum? Ja, wenn man dieses Haus mit denen der ersten Generation vergleicht, kann man das besser verstehen. Der offensichtlichste Teil für mich ist sicherlich das Design dieses Gebäudes, der Drechsler-Palast, der früher unter anderem eine Ballettschule beherbergte. Seine wechselvolle Geschichte wurde in die Details, die Oberflächen, die Texturen, die illusionistischen Details eingewoben. Zum Beispiel inspirierte das Bild einer Balletttänzerin im Tutu die kreisrunde Form der Teppiche in den Zimmern – und die mal himmelwärts, mal abwärts geschwungenen runden Lampenschirme im Nightingale by Beefbar-Restaurant und in der W Lounge. Von den beiden EWOW Suiten ist eine komplett schwarz und die andere komplett weiß gestaltet, sie sollen an den schwarzen und den weißen Schwan aus dem Schwanensee-Ballett erinnern. In den Zimmern gibt es wunderbare Schachbrettmuster an den Wänden und auf den Fliesen der Bäder – eine Hommage an die Tradition, dass viele ältere ungarische Männer in Parks Schach spielen. Besonders originell finde ich die Anspielungen auf die Leinwandlegende Zsa Zsa Gabor, die eine der bekanntesten ungarischen Ikonen ist. In den Zimmern finden sich viele Elemente aus dem Theater oder Kino. Zum Beispiel der Spiegel im Bad, der wie ein Theater-Schminkspiegel designt ist, oder Lampen, die fast wie Schmuck oder Diamanten aussehen, Diese illusionäre Ästhetik und die Raffinesse eines Hollywood-Glamours kann man hier überall sehen. Übrigens hat jedes W Hotel ein Design-Narrativ das immer auf drei Elementen basiert: den sozialen, historischen und kulturellen Kontext des Reiseziels. Hier in Budapest wurde der „befreite Luxus“, das Gefühl von Immersion, Fantasie und Magie und die Dualität aus alt und neu wirklich exzellent umgesetzt. Und auch der Service ist einwandfrei, und unsere Team-Talents binden einen starken kulturellen Background mit ein.
Wohin möchten Sie die Marke W in den nächsten Jahren führen? W war schon immer Teil eines kulturellen Diskurses als Marke, seit wir 1998 unsere Türen geöffnet haben. Ich möchte diesem Ansatz weiter Tribut zollen. Wir wollen immer am Puls der Kultur in jedem unserer Standorte sein, sei es in der Mode, im Design, in der Musik. Wir möchten auch Haltung zeigen und unterstützen die Bemühungen der LGBTQ+ mit unseren Pride-Kampagnen. Es ist uns sehr wichtig, Teil der Kultur und der Lifestyle-Szene in jeder Destination zu sein. Das ist der Spirit, dem ich mich sehr verpflichtet fühle.
Ist das der Grund, warum es mehr urbane Hotels als Resorts bei W gibt? Richtig, aber wir haben auch eine sehr stabile Strategie für Resorts entwickelt. Zum Beispiel eröffnen wir 2025 unser allererstes W-All-Inclusive-Resort in der Dominikanischen Republik. Das wird auch für deutschsprachige Gäste sehr interessant sein, da man von Frankfurt und München aus leicht nach Punta Cana fliegen kann. Ich halte das Resort für eine wirklich aufregende Markenerweiterung, denn ich war gerade dort, und kann Ihnen verraten, dass es wirklich spektakulär ist. Das W Punta Cana wird sicherlich wieder den Status quo dessen, was ein All-Inclusive-Erlebnis in der Dominikanischen Republik ist, herausfordern. Ich bin also sehr gespannt auf das, was wir mit unserem, „W Escapes“-Resort-Portfolio bewegen.
Marriott Bonvoy expandiert zur Zeit mit All-Inclusive-Resorts, besonders in der Karibik? All-Inclusive ist schon lange ein sehr erfolgreiches Segment, aber es ist etwas eingerostet. Viele der derzeitigen Angebote in diesem Bereich sind sehr undifferenziert. Mit der Kraft unserer Luxusmarken glauben wir, dass wir eine neue Art von Erlebnis freischalten können. Gleichzeitig haben wir ja auch das Kreuzfahrt-Geschäft mit der Ritz-Carlton-Yacht-Collection revolutioniert. Unsere Gäste suchen nach dem Ritz-Carlton-Ethos auf einer Yacht. Deshalb denken wir, dass wir etwas ziemlich Differenziertes im All-Inclusive-Bereich schaffen können, weil die DNA von W bereits ein großartiges Speisen- und Getränke-Angebot, Unterhaltung, und spannende Freizeitaktivitäten beinhaltet. Diese W-Passionspunkte sind sehr gut auf den All-Inclusive-Bereich hin ausgerichtet.
Wie wichtig ist die Marke W innerhalb des Marriott-Portfolios? W ist ein sehr wichtiger Player für den Erfolg des Marriott-Luxus-Portfolios. Marriott hat weltweit fast 500 Luxushotels und über 200 weitere in der Pipeline. Es gibt keinen anderen Luxushotelbetreiber, der sich mit so einer großen Pipeline rühmen kann. Dabei spielt W mit fast 100 Hotels eine sehr wichtige Rolle in diesem Portfolio. Die Marke ist seit zwei Jahrzehnten eine Ikone, aber jede unserer Marriott-Luxusmarken hat ihre Rolle im Portfolio, und das ist sehr wichtig. Was ich für besonders genial halte, ist, dass wir für jeden Kunden, für jeden Reisezweck, für jeden Anlass, für jede Preisklasse innerhalb unseres Luxusportfolios eine Marke haben. Unsere Gäste müssen unser Luxus-Ökosystem überhaupt nicht verlassen, um zu bekommen, wonach sie suchen.
Glauben Sie, dass ein Ritz-Carlton Gast auch in ein W Hotel einchecken würde? Ich würde sagen, es hängt von seinem Reisezweck ab. Ich glaube nicht, dass Kunden heute nur einer bestimmten Marke treu sind. Ich war gestern in Rom und habe an einem Tag unsere Edition-, Bulgari-, W,- und St.-Regis-Hotels besucht und hatte fast das Gefühl, dass ich von einem Film in einen anderen falle. Weil sie alle so besonders, unterschiedlich und einzigartig sind. Ich liebe das. Ich war im W Rome und hatte die besten Pizzen auf dem Rooftop und dazu einen fabelhaften Paloma-Cocktail. Und da oben sind ein DJ und ein Butler, der eine Flasche Champagner bringt. Das ist einfach sehr eindringlich und wunderschön, und es fühlt sich an, als wäre man in einem Film wie „Der talentierte Mr. Ripley“. Ich liebe diese Momente, und ich denke, unsere Gäste lieben sie auch, wenn sie in einem unserer Hotels übernachten. Oft wählen sie andere Marriott-Luxushotels, weil sie wissen, dass es dort all diese verschiedenen Erlebnisse gibt.
Betrachten Sie sich selbst eher als W-Hotel- oder St.-Regis-Gast? Ich würde sagen, bei mir gilt dasselbe wie das, was ich gerade über unsere Gäste gesagt habe. Die Wahl des Hotels hängt von meinem Reisezweck ab. Zum Skifahren mit Freunden, würde ich das W Verbier wählen, weil es einfach ein großartiges Angebot für ein fröhliches und aktives Wochenende hat. Aber ich liebe auch das St. Regis Aspen, doch das wäre wahrscheinlich eher eine Reise, bei der ich alleine, entspannter und weniger aktiv unterwegs bin, um einfach etwas „Me Time“ zu genießen. Ich glaube, dass die Marke W eher das Gen-Z- und Millennial-Publikum anzieht oder Menschen, die im Herzen jung geblieben sind. Nicht alle mögen Musik in der Lounge, und das hängt von Vorlieben aber auch vom Alter ab. Aber das ist in Ordnung so. Genauso verhält es sich auch in der Modewelt. Die einen lieben Gucci, andere tun es nicht. Manche Leute lieben Zegna, andere nicht. Es gibt eben diese Vorlieben. Und es ist großartig, dass Marriott über mehr als 30 Marken in verschiedenen Preissegmenten verfügt, zwischen denen man auswählen kann.
In welchen Destinationen würden Sie persönlich gerne eine Weiterentwicklung der Marke W sehen? Ich bin überzeugt, dass es wunderbare Möglichkeiten im gesamten Mittelmeerraum, wo wir vor kurzem das W Costa Navarino eröffnet haben, gibt. Meiner Meinung nach passen die Unbeschwertheit und die Verspieltheit von mediterranen Destinationen, insbesondere im Sommer, sehr gut zur Philosophie der Marke. Aber über Costa Navarino hinaus denke ich, dass Athen eine passende Destination wäre. Mykonos und Paros natürlich genauso. Es gibt großartige Orte im gesamten Mittelmeerraum, in denen die Marke sehr erfolgreich sein könnte: Südspanien, Südfrankreich, weitere italienische Destinationen wie Sardinien, oder auch Bodrum in der Türkei. Außerdem sehe ich auch noch viele spannende Möglichkeiten in Südamerika. Wir haben dort bereits ein paar Häuser. Bald eröffnen wir in São Paulo. Das ist eine wunderbare Stadt, genauso wie Buenos Aires. Meiner Meinung nach bieten die südliche Hemisphäre, das Mittelmeer und Afrika immer noch viele Chancen für tolle Standorte in diesen Märkten.
