GOOD TO GO: Oman
Sultanat mit Seele
Im Oman gehen die Uhren anders: Archaische Dörfer aus Lehm, duftende Weihrauchmärkte und Oasen wie aus Tausendundeiner Nacht machen das Landschaftsjuwel am Arabischen Meer zum Sehnsuchtsort der Superlative. Ein Tausendundeine Nacht-Report von CC VIP-Autor Robert Haidinger.
Foto-Eldorado
Uralte Flinte, den funkelnden Krummdolch schräg in den Gurt geklemmt. Und tiefe, braune Falten, verwittert wie das nahe Jabal-Akhdar-Gebirge: Sonderbar versteinert wacht der Alte über das Treiben am Viehmarkt. Doch plötzlich schießt Leben in die dürren Glieder. Blitzschnell greift er sich eine Ziege, beklopft hohl klingende Rippen, checkt sogar die hellrosa Hoden. Dann ist der Deal perfekt: Genau mit diesem und keinem anderen Bock möchte der Mann in sein Bergdorf zurück! Nizwas Viehauktion hält solche Szenen jeden Freitag bereit. Geduldig drehen hier Hirten und Paarhufer ihre Runden. Goldmasken omanischer Frauen blitzen in der Sonne, auch sie machen die berühmteste Viehmesse des Landes zum Foto-Eldorado. Der alte Souk, einst einer der größten der arabischen Welt, ist nur wenige Schritte entfernt.
Hinter alten Burgmauern
Pittoresk ist die Bergstadt Nizwa auch an anderen Tagen. Hinter schweren Holztoren kann man hier in omanische Traditionen eintauchen. Verwinkelte Treppen führen auf runde Kanonentürme, dahinter schimmert die golden und blau glasierte Kuppel einer angrenzenden Moschee. Es gab Zeiten, in denen ungewollte Gäste mit heißem Dattelhonig empfangen wurden, serviert durch Schlitze über den Türstöcken. Heute erwartet einen in Nizwa eine orientalische Märchenstadt in Reinkultur. Und sie ist keineswegs die einzige im Sultanat.
Am Oasen-Trail
Orte wie Dubai, Abu Dhabi oder Doha scheinen hier eine mittlere Zeitreise weit entfernt. Der Oman schlägt sanftere Töne an, verzichtet auf künstlich implantierte Heritage-Show – und träumt lieber der eigenen Vergangenheit hinterher. Meist reicht schon ein kleiner Abstecher, ein SUV ist dann kein Nachteil. Fanjah – erster Stopp auf der Anreise von Muscat – etwa beschert herrliche Blicke auf den Sumail-Pass, und die vielen Wachtürme verweisen darauf, dass hier die wichtigste Route in den Inneroman verlief. Die Gegend um Nizwa ist reich an solchen Stätten. Misfat al Abriyyin stapelt sich zwischen steilen Felswänden und kleinen Terrassenfeldern – archaisch wie das komplexe System der schmalen Bewässerungskanäle. Oder Birkat al-Mauz, die Pforte zum 2.000 Meter hohen Saiq-Plateau, in dessen frischer Bergluft pinkfarbene Zwergrosen gezüchtet werden: Ein perfekt restauriertes Fort, viele vom Regen verwaschene Lehmhäuser. Etliche bröckeln still vor sich hin – ein verwunschener Ort der Dschinns. Das von einer mächtigen Stadtmauer umgebene Bahla Fort, UNESCO-Welterbe, liegt ebenfalls im Dornröschenschlaf: Eine große Oase sichert das Überleben der Bauern, und auch der alte Dorfbrunnen versieht weiterhin seinen Dienst. Wer durch Bahlas Gässchen schlendert, stößt in den Hinterhöfen auf Töpfer, die ihre Ware nach jahrtausendealter Methode brennen.
Sandmeer in Sicht
Doch der traditionsbewusste Oman, der auf Schritt und Tritt zur Zeitreise einlädt, ist auch ein Naturwunder. Nicht allzu weit von Bahla entfernt, findet sich etwa der Eingang zum fantastischen Wadi Ghul. 20 Kilometer schneidet das Tal ins Massiv des Jabal Shams hinein. Fast tausend Meter ragen die kühlen Wände des Hajar-Gebirges empor. Ein wahres Highlight ist der Ausflug zum „Grand Canyon des Oman“, aber auch wegen Luxusoasen wie dem Anantara Al Jabal Al Akhdar, einem der höchstgelegenen Resorts der Welt. Ein Level höher funkelt nur mehr der Sternenhimmel. Am besten man genießt ihn in Rückenlage, und schickt Shisha-Wölkchen hinterher. Das gelingt auch im Rahmen exklusiver Wüstentrips ganz gut. Im „leeren Viertel“ Rub al-Khali führen sie über 300 Meter hohe Sanddünen – gigantische Kunstwerke der Natur, denen auch omanische Beduinen mit Respekt begegnen. Weise Lagerfeuersprüche sind dann nie weit: „Niemand hinterlässt Spuren in der Wüste“, lautet mein liebster. Gut vielleicht, dass auch andere Dinge im Sande verlaufen. Das Projekt „Blue City“ der Oppenheimer Group, das 30 Minuten von Muscat Seeb Airport Dutzende Kilometer Beachfront umkrempeln sollte, blieb unrealisiert. Besser zum besonderen Charme des Oman, der auch in Greater Muscat aufblitzt, passen wohl Orte wie der quirlige Fischmarkt des Stadtteil Mutrah. Weiß getünchte Händlerhäuser mit pastellfarbenen Balkonen verleihen ihm einen nostalgischen Anstrich, eine Bucht weiter kleben sich 500 Jahre alte Festungen an die zunehmen felsiger gewordene Küste. Sie beherbergen die königliche Garde des Sultans und dessen Privatmuseum. Zur Marina und den lauschigen Badebuchten von Bander Jissah ist es von hier nicht weit. Fährt man noch weiter nach Süden, tauchen schließlich die Dau-Werften von Sur auf. Das Sultanat leistet sich hier den kleinen Luxus, die anderswo längst verschwundene Handwerkskunst des arabischen Schiffbaus über Wasser zu halten – typisch Oman.
Felix Arabia
Flug nach Salalah, die Ecke mit den langen, weißen Sandstränden. Und dann immer der Nase nach. Diese Methode funktioniert am Weihrauchmarkt des Badeorts ziemlich gut. Denn unüberriechbar regiert hier König Weihrauch. In dicken Plastiksäcken und in kleinen, goldenen Döschen liegt das berühmte Produkt schwarz gekleideten Marktweibern zu Füßen. Als Weihrauch-Kaugummi und zu bröseligen Platten gepresst ist das Baumharz erhältlich. Kenner suchen nach der bläulich-transparenten Sorte al-Huraji.
In und um Salalah begann einst die berühmte Weihrauchstraße des Südlichen Arabien. Im umliegenden Gouvernement Dhofar gedeiht die Pflanze besonders gut, am besten an dem Meer abgewandten Berghängen. Das Land des Weihrauchs im Südwesten des Omans ist in mancherlei Hinsicht einzigartig: Kokos- statt Dattelpalmen verleihen ihm einen Hauch von Tropen. Der Südwestmonsun Kharif, der ab Juni die Küstengebiete streift, beschert dem trockenen Land knüppeldicken Nebel und feinen Sprühregen. Ende September überzieht er den Dhofar mit einer grünen Decke. Zum antiken Beinamen des Dhofar passen aber auch die langen, weißen Sandstrände, die Salalah zu einer der besten Badedestinationen des Vorderen Orients machen. Der alte Hafen von Mirbat bei Khor Rori – rund 40 Kilometer östlich von Salalah – erzählt lieber eine ältere Geschichte. Von den antiken Grundmauern des vor zweitausend Jahren vom Königreich Hadramaut gegründeten Weihrauchhafens Samhuram überblickt man ein kleines Landschaftsjuwel: Quietschgrün und hellblau erstreckt sich die von Uferschilf gesäumte Lagune des versandeten Hafens in die hügelige Mondlandschaft hinein. Die Daus sind verschwunden. Im alten Samhuram legen nun seltene Zwergflamingos, Löffler, Uferschnepfen und Wasserfasane an – Afrikas Vogelwelt ist nah! #experienceoman, www.experienceoman.om