GOOD TO KNOW: Tourismusforscher Harald Zeiss

„Das Potenzial, eine Luxusreise nachhaltig zu gestalten, ist vorhanden“

Prof. Dr. Harald Zeiss ist Gründer des Instituts für Nachhaltigen Tourismus, Inatour, und Direktor des Instituts für Tourismusforschung der Hochschule Harz. Von 2017 bis 2022 war er Vorstandsvorsitzender der Nachhaltigkeitsinitiative Futouris und bis 2024 im Beirat der DZT. Darüber hinaus engagiert er sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Ausschusses Nachhaltigkeit beim DRV und ist Vorsitzender des Umweltbeirats des Tourismusverbandes Sachsen-Anhalt. CC VIP-Autorin Susanne Freitag hat mit ihm über Nachhaltigkeit im Luxustourismus gesprochen.

Können Luxusreisen überhaupt nachhaltig sein? Es gibt grundsätzlich einen Widerspruch zwischen Luxusreisen und Nachhaltigkeit. Wenn wir nachhaltig reisen wollen, sollten wir verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen – Luxus aber bedeutet oft einen verschwenderischen Umgang damit. Das muss nicht immer so sein, aber wenn man auf aktuelle Angebote schaut, ist ein ganz großer Teil des Luxus-Narrativs eben dieses Füllhorn, alles möglich zu machen.

Gibt es Ausnahmen? Es gibt Entwicklungen hin zu nachhaltigeren Luxusreisen, die zunehmend auf besondere Erlebnisse setzen. Besonders guter Service ist etwa immer nachhaltig, weil er keine Ressourcen verschwendet und zugleich den Menschen in den Mittelpunkt stellt, die – so ist die Hoffnung – für das besondere Erlebnis dann auch eine bessere Bezahlung erhalten.

Wie können Luxushotels nachhaltiger werden? Luxushotels, die sehr große Zimmer mit Dusche, Badewanne und Whirlpool oder privatem Pool anbieten, haben einen besonders hohen Wasser- und Stromverbrauch. Das führt dazu, dass Luxusreisende einen größeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen als der durchschnittliche Reisende. Um dem entgegenzuwirken, können Hotels in nachhaltige Technologien investieren, etwa in ressourcenschonende Wasser- und Energiegewinnung. Leider setzen nicht alle Luxushotels diese Maßnahmen um, sodass es weiterhin einen großen Graubereich gibt, der wenig ökologisch ist.

Ihr Fazit? Das Potenzial, eine Luxusreise nachhaltig zu gestalten, ist vorhanden, und es gibt viele attraktive Ansatzpunkte. Ich begrüße es, dass Luxusreisen zunehmend auf Erlebnisse setzen und weniger auf Opulenz und Verschwendung. Insbesondere im Luxussegment sind oft Menschen unterwegs, die einen höheren Bildungsbackground haben und daher verstehen müssten, dass wir unsere schöne Erde für künftige Generationen erhalten sollten. Meine Hoffnung ist, dass diese Reisenden weniger auf den Preis achten und stattdessen Wert auf einen respektvollen Umgang mit Ressourcen legen.

Besteht ein Widerspruch zwischen nachhaltigem Bewusstsein und tatsächlichem Reiseverhalten? Ja, den gibt es tatsächlich. Viele Menschen sind sich der Notwendigkeit bewusst, nachhaltiger zu reisen, wollen aber trotzdem ihren Urlaub ohne schlechtes Gewissen genießen. Dieser Widerspruch wird als „kognitive Dissonanz“ bezeichnet: Der Kopf sagt, man sollte ökologisch und sozial verantwortlich handeln, aber der Bauch entscheidet sich dann doch für das billigere Hotel oder die klimabelastende Fernstrecke. Studien, wie die FUR Reiseanalyse, zeigen, dass zwar viele Menschen einen sozial und ökologisch verantwortungsvollen Urlaub wünschen, es aber diese Diskrepanz zwischen Einstellung und tatsächlichem Verhalten gibt – der sogenannte Attitude-Behavior Gap. Das ist menschlich, und das Geschäftsmodell von Fitnessstudios funktioniert deswegen so gut, weil auch hier „Wollen“ und „Machen“ zwei unterschiedliche Sachen sind.

Am Ende hoffen viele Reisende, dass der Veranstalter sich um alles kümmert, ähnlich wie wir zu Recht davon ausgehen, dass keine Kinderarbeit betrieben wird oder Mitarbeiter schlecht behandelt werden. Viele erwarten, dass nachhaltige Praktiken wie Wassereinsparung oder der Kauf von regionalem Essen selbstverständlich sind. Doch oft entspricht die Realität nicht ganz diesen Erwartungen.

Wie kann man das ändern? Ein Ansatz ist sogenanntes „Nudging“: Menschen sanft in eine bestimmte Richtung zu lenken, ohne ihnen die Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist, dass Reisende eher eine nachhaltige Unterkunft buchen, wenn sie über einen Katalog oder, wie vor einigen Jahren bei Iberotel, in einem Hotel durch einen grünen Teppich und einen Hinweis auf Klimaschutz angestoßen werden. Das sogenannte Priming kann die Bereitschaft erhöhen, sich nachhaltiger zu verhalten – auch wenn die Hebel begrenzt sind.

Was wäre effektiver? Ich meine, dass die Branche zusammen mit Politik und Verbänden verbindliche Standards setzen sollte. So könnte sichergestellt werden, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine optionale Zusatzleistung bleibt, sondern eine verpflichtende Maßnahme für alle Anbieter wird. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise alle Hotels – unabhängig von ihrer Kategorie – an Maßnahmen wie Wasserdurchflussbegrenzungen, Abfallverwertung und Energieverbrauchskontrollen gebunden sind. Nur durch einheitliche Standards wird Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil der Branche und nicht nur eine freiwillige Ergänzung.

Gibt es Regionen, die Vorreiter sind? Ja, Skandinavien und die Niederlande haben in diesem Bereich schon viel erreicht, ebenso Costa Rica, das für seinen besonders guten Naturschutz bekannt ist. Bhutan ist hingegen ein Beispiel für ein Land, das den Tourismus stark begrenzt, um die Umwelt und Gesellschaft zu schonen. In der Türkei wiederum wird derzeit jedes Hotel auf den Travel-Life-Standard zertifiziert, was ich als sehr positiv empfinde. Hotels, die sich mit Nachhaltigkeit befassen, können durch diese Standardisierung ihre Qualität insgesamt verbessern.

Noch eine persönliche Frage: Was bedeutet für Sie Luxus im Urlaub? Für mich ist Luxus vor allem das Besondere und Außergewöhnliche – Erlebnisse, die einen positiven Eindruck hinterlassen und überraschen. Es können kleine Momente sein, wie ein Drink auf einer angesagten Roof-Top-Bar, den man sich einfach aus Freude an dem Moment gönnt oder eine exklusive Führung durch ein Museum. Ich empfinde Luxus aber auch bei authentischen Begegnungen mit Menschen vor Ort, von denen ich etwas lernen und über ihr Leben erfahren kann. Und häufig merke ich, wie gut es uns in Deutschland geht, dass wir tagtäglich im Luxus leben.