GOOD TO HEAR: Ibiza extracool

Winterzauber auf Ibiza

Wo sich im Sommer Touristen drängeln und ein Durcheinander aus Stimmen, Musik und Motoren die Geräuschkulisse bestimmt, herrscht nun eine fast märchenhafte Stille. CC VIP-Autorin Susanne Freitag hat die Insel im Advent besucht.

Der Passeig de Vara de Rey, die beliebte Flanier- und Einkaufsmeile fast direkt am Hafen, hat sich Anfang Dezember in einen funkelnden Weihnachtsmarkt verwandelt. Zwischen festlich geschmückten Ständen duftet es nach gebrannten Mandeln, lokalem Käse und traditionellem Gebäck. Mittendrin, in einem großen Zelt, stimmen sich einheimische Familien mit weihnachtlichen Musicals und Shows auf die besinnliche Zeit ein. Lichterketten säumen den Passeig und auch am Hafen zeigt sich Ibiza-Stadt mit glitzernden, kreativ geschmückten und beleuchteten Weihnachtsbäumen von ihrer festlichen Seite. Und Dalt Vila, die UNESCO-geschützte Altstadt, die auf einem Hügel thront, präsentiert sich nahezu menschenleer, still und festlich.

Ausgangspunkt für Entdeckungen zu Fuß ist das Montesol Experimental Hotel am Passeig de Vara de Rey. Das 1933 im Neokolonialstil erbaute Haus am Fuß der Dalt Vila beherbergte in den 1950er bis -80er Jahren als Grand Hotel internationale Stars wie Orson Welles, Caroline von Monaco und Punk Floyd. Heute gehört es zur Experimental Gruppe und ist ein Boutique-Hotel mit 33 Zimmern, einem Restaurant und einer Dachterrassenbar. Designerin Dorothée Meilichzon hat jeden Raum neu gestaltet und dem Interieur mit kühlen Farbtönen und üppigen Mustern einen bohemischen Touch verliehen.

Der Advent auf Ibiza beginnt wie überall am ersten Adventssonntag, und die Weihnachtszeit folgt dem spanischen Rhythmus und dauert bis zum 6. Januar, dem Tag der Heiligen Drei Könige. Am 25. Dezember werden in vielen Gemeinden der Insel lebende Krippen aufgeführt. Doch der eigentliche Höhepunkt ist am 6. Januar, am "Día de los Tres Reyes Magos", wenn die Heiligen Drei Könige mit Geschenken für die Kinder feierlich in die Dörfer und Städte einziehen. In Ibiza-Stadt und Santa Eularia kommen sie traditionell per Boot.

Das Schwein im Mittelpunkt: Bei den Weihnachtsfeierlichkeiten mit der Familie oder Freunden darf ein traditionelles Gericht nicht auf dem Speiseplan fehlen: Die süße Salsa de Nadal - die Weihnachtssauce – besteht aus zig Zutaten, darunter Hühnchen, Honig, Zimt, Safran, Nelken und gemahlene Mandeln und wird als Dessert oder Vorspeise gegessen. Wer wissen möchte, wie die Salsa de Nadal und andere traditionelle Inselgerichte zubereitet werden, sollte Estela Armada Mañá besuchen. Die Gründerin und Küchenchefin von Tierra de Ibiza Tradición Culinaria teilt ihre Leidenschaft für lokale Küche und traditionelle Rezepte nur zu gerne in Kochworkshops für Kinder und Erwachsene.

Zur ibizenkischen Küche gehören neben traditionellen Reis- und Fischgerichten auch die pikant gewürzte Sobrassada- und die herzhafte Blutwurst Botifarrón. Sie stammen meistens von der Viehzuchtgenossenschaft Carn & Coop, deren 21 Mitglieder sich für den Erhalt traditioneller Landwirtschaft auf der Insel einsetzen und ihre Produkte im neuen Markt (Mercat Nou) in Ibiza-Stadt verkaufen. Hobbylandwirt Vicente Bernat ist Mitglied der Kooperative und Schweinezüchter in neunter Generation. "Wir wollen zeigen, dass man auf Ibiza auch heute noch von der Landwirtschaft leben kann", sagt Bernat. "Und dass sie Zukunft hat – wenn sie nachhaltig ist." Er züchtet die einheimische Schweinerasse Porc negre eivissenc, deren aromatisches Fleisch an das berühmte Cerdo Ibérico erinnert. Die 150 Tiere leben artgerecht auf 42 Hektar im Norden der Insel, nutzen die natürlichen Ressourcen der Umgebung und tragen zugleich zur ökologischen Balance bei. "Meine Eltern ließen die Tiere sich früher an heißen Tagen im Meer abkühlen", erzählt Vicente. "Ich arbeite gerade an einem Weg von der Farm bis zum Meer, damit sie eines Tages wieder dort schwimmen können."

Die Porcs negre eivissenc spielen auch die Hauptrolle bei der "Matança", dem traditionellen Schlachtfest, das seit Jahrhunderten ein Bestandteil des bäuerlichen Lebens ist und mit der Familie und engen Freunden gefeiert wird. Im Dorf Sant Llorenç de Balàfia findet Mitte Dezember die "Fira de sa Matança", eine Art Schlachtmesse, statt. Die Besucher flanieren von Stand zu Stand, probieren "Frita de matanzas", ein rustikales Gericht aus Schweinefleisch, Paprika, Kartoffeln und Knoblauch und "Arroz de matanzas", ein herzhafter Reis mit Fleisch, Safran und Pilzen, und schauen traditionellen Tanzgruppen beim Ball pagès, dem traditionellen Tanz der Pityusen, zu.

Wer genug von Fleisch und Adventsstimmung hat, kann unweit der Festivitäten in eine ganz andere Welt abtauchen: Im Inneren der Steilküste von Port de Sant Miquel de Balansat im Norden der Insel liegt die Cova de Can Marçà, eine eindrucksvolle, etwa 100 000 Jahre alte Tropfsteinhöhle. Ein steiler Weg führt nach unten zum Meer und zum Höhleneingang, wo die rund 45minütige, geführte Tour beginnt. Im Innern geht es bergauf, vorbei an uralten geologischen Formationen, skurrilen Skulpturen und eindrucksvollen Wasserfällen. Can Marçà war einst ein Versteck für Schmuggelware. Noch heute kann man schwarze und rote Markierungen erkennen, an denen sich die Schmuggler orientierten. Höhepunkt der Führung ist eine musikalisch untermalte Lichtshow mit einer zehn Meter hohen Wasserkaskade.